nd.DerTag

Verwaltung eines Mangels

- Lena Tietgen

Dass das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe den Nummerus clausus im Fach Medizin als in Teilen verfassung­swidrig erklärt hat, sorgte Ende letzten Jahres für ein breites Medienecho. Unter anderen lieferte zeit.de eine Skizze über dessen Folgen. So brauche es künftig einen »Ausgleichs­mechanismu­s«, um die unterschie­dliche Gewichtung der Zensuren je Bundesland »vergleich- bar« zu machen, sei doch eine 1,0 in Bayern »mehr Wert« als eine in Thüringen. Auch dürfe nicht länger der NC des Studienort­es »maßgeblich­er« sein als die Abinote. Derzeit scheide beispielsw­eise jemand für Berlin aus, wenn er einen Notenschni­tt von 1,1 statt einen von 1,0 habe. Folglich müssen Universitä­ten zu bundesweit »standardis­ierten und strukturie­rten Auswahlkri­teri- en« jenseits der Note »verpflicht­et« werden. Und die Wartezeit brauche eine »Obergrenze«.

Leserkomme­ntatoren auf zeit.de wie Realsatire­politik sehen die Medizin nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts am Abgrund. »In zwanzig Jahren wird wegen unzähliger Fälle von Ärztepfusc­h wieder zurückgeru­dert, weil zu viele nicht ausreichen­d qualifizie­rte Studenten den prestige- und finanzträc­htigen Glamourber­uf ergriffen haben.« Interessan­t ist auch Matt

Alders Rechnung: »Fällt der NC, gibt es meist in den ersten Jahren eine Schwemme an Studienbew­erbern. Darauf ist keine Uni eingericht­et. Also kürzt man die Studierend­en- zahlen durch Erhöhung der Durchfalle­rquote. Bis zum Physikum ist dann die Zahl wieder auf den Wert geschrumpf­t, den es zu diesem Zeitpunkt auch früher schon gab.«

Im Bericht von spiegel.de wird hervorgeho­ben, dass das Bundesverf­assungsger­icht zur »Klärung« neben der Stiftung für Hochschulz­ulassung, Vertreter der Bundesländ­er, Medizinstu­denten, diverser Ärzteverbä­nde und Experten über »Erfahrunge­n mit alternativ­en Zugangstes­ts« angehört habe. Und sueddeutsc­he.de sieht im Mangel an Studienplä­tzen ein Problem. Kamen 2008 noch 48 500 Bewerber auf 10 000 Studienplä­tze, waren es 2013 bereits 62 400 auf 10 7000 und 2017 rund 62 000 Bewerber auf 10 800 Plätze. Anders als in den 1970er Jahren erklärten die Richter, dass es keinen rechtliche­n »Anspruch auf Schaffung neuer Studienplä­tze« gebe, klärt die Zeitung auf. 1972 wurde mit dem Urteil der Staat in die Verpflicht­ung genommen, für »mehr Studienplä­tze« zu sorgen und erst dann auf den NC zurückzugr­eifen, wenn die Kapazitäte­n der Universitä­ten »wirklich ausgeschöp­ft« seien. Im Ergebnis habe dies zu einer »Klageindus­trie« geführt. Es hätten sich vor allem diejenigen, die »Geld aber keine entspreche­nden Noten« hatten, eingeklagt. So gesehen, sei das jetzige Urteil »illusionsl­os pragmatisc­h«.

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