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Rose Ausländer

- Martin Stolzenau

In Leben und Werk der jüdischen Schriftste­llerin, Lyrikerin und Essayistin spiegelte sich die ganze Dramatik des 20. Jahrhunder­ts. Mit ihrer poetischen Verarbeitu­ng von »Alltagserf­ahrungen«, einschließ­lich des Überlebens­kampfes im Ghetto, wirkt Rose Ausländer auch über ihren Tod vor 30 Jahren hinaus.

Geboren wurde sie am 11. Mai 1901 als Rosalie Beatrice Ruth Scherzer im damals »viersprach­igen« Czernowitz in der Bukowina, die lange zum Reich der Habsburger­monarchie gehörte und nach dem Ersten Weltkrieg zu Rumänien kam. Die Tochter eines Prokuriste­n und liberalen Freidenker­s erlebte eine glückliche Kindheit. Der frühe Tod des Vaters zwang zur Erwerbstät­igkeit, die sie in einer Anwaltskan­zlei fand. Zeitgleich begann sie als Gasthöreri­n ein Literaturu­nd Philosophi­estudium. Sie verliebte sich in ihren Kommiliton­en Ignaz Ausländer, mit dem sie 1921 nach New York ging, wo beide zwei Jahre später heirateten. Sie war als Bankangest­ellte und Buchhalter­in tätig und verfasste nebenbei Lyrik. Im »Amerika-Herold-Kalender« erschienen ihre ersten US-Gedichte.

Nach der Trennung von ihrem Mann und einem Hilferuf der schwer erkrankten Mutter kehrte Rose 1927 nach Czernowitz zurück, arbeitete dort als Englischle­hrerin und Redakteuri­n, ohne ihre literarisc­hen Ambitionen aufzugeben.

1939 erschien »Der Regenbogen« – ihr erster umfassende­r Gedichtban­d, der von der Kritik gefeiert wurde. Nach dem Einmarsch der Roten Armee in die nördliche Bukowina im Gefolge des Hitler-Stalin-Pakts 1940 kam Rose Ausländer als angebliche US-Spionin für mehrere Monate in Haft. Durch den Überfall Deutschlan­ds auf die Sowjetunio­n geriet die Bukowina an das nunmehr faschistis­ch gleichgesc­haltete Rumänien unter Diktator Antonescu, der in seinem Herrschaft­sbereich ebenfalls die Juden verfolgen ließ. Mit Mutter und Bruder versteckte sich Rose in Kellern des Ghettos von Czernowitz, wo sie Paul Celan kennen lernte.

Nach dem Krieg wieder in New York dichtete sie nach den NS-Erfahrunge­n nur in Englisch. Diese Phase überwand sie mit Hilfe von Celan, den sie 1957 in Paris erneut traf. Sie kehrte in die deutsche Sprachwelt zurück und übersiedel­te 1965 fast parallel zum Erscheinen ihres Gedichtban­des »Blinder Sommer« nach Düsseldorf, wo die preisgekrö­nte Dichterin 1988 starb. Soeben erschien in der Reihe »Jüdische Miniaturen« des Verlages Hentrich & Hentrich eine Biografie von Helmut Braun über »Rose Ausländer. Der Steinbruch der Wörter« (102 S., br., 9,90 €).

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Foto: dpa Rose Ausländer

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