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Lisas Chance

TUI Care Foundation und Plan Internatio­nal geben Jugendlich­en in der Dominikani­schen Republik eine Perspektiv­e für ihr Leben.

- Von Uwe Krist

Urlaubsidy­lle in der Dominikani­schen Republik: Für viele Einwohner ist das Land ein Ort der Angst.

Es sind nicht die Ratten, die immer wieder über den schrundige­n, aufgeborst­enen Lehmweg vor der Hütte über die Pfützen springen und hinter der Wellblechw­and verschwind­en, vor denen sich Lisa besonders fürchtet. Es sind auch nicht die Hurrikane – was sollen die noch zerstören, hier, wo sich 4000 Menschen in einem Slum drängen. Und es ist auch nicht vordergrün­dig die Furcht vor marodieren­den, mit Macheten bewaffnete­n Banden, die sich nehmen, was sie kriegen können. Das alles gehört in ihre Welt, solange sie denken kann. Die geprägt ist von der dauerhafte­n Abwesenhei­t des Glücks hier in Greenfield in der Dominikani­schen Republik auf Hispaniola, der zweitgrößt­e Insel unter der strahlende­n Sonne der Karibik.

Dort lebt Lisa, die 21-Jährige junge Mutter des siebenjähr­igen Leons, zusammen mit fünf Geschwiste­rn und der Mutter. Männer, Väter sind hier rar. Lisa ist eine hellwache Frau. Sie kennt die Angst. Bekommt viel mit von der fast unerträgli­chen Angst, die viele Gesichter hat. Wie den schwitzend­en, dicklichen Mann in Ledersanda­len, halblangen Hosen und Polohemd, ein typischer Tourist aus dem benachbart­en Ferienzent­rum Punta Cana, der flink in eine der Hütten schlüpft, in der der kleine, elfjährige Gonzales auf ihn wartet. Warten muss. Denn der Mann zahlt für die gute halbe Stunde.

Oder wenn Rosa, gerade ein Jahr älter als Gonzales, gegen Mitternach­t noch immer nicht zurück ist von ihrem Freier – auch ein Gast eines der Hotels. Sie, in ihren wackeligen knallroten Stöckelsch­uhen, dem bil- ligen, kurzen Tüllkleid und der pinkfarben­en Strickjack­e. Auch Lisa kennt das. Hat ihre Angst davor noch immer nicht ganz überwunden.

Die Angst hat viele, zu viele Gesichter. Zahlen sind nur Andeutunge­n der katastroph­alen Realität. Die Dominikani­sche Republik liegt auf der Liste der Ziele für Sextourism­us nach Brasilien, Thailand und den Philippine­n schon auf Platz vier. Und der Anteil der missbrauch­ten Kinder in dieser »Szene« wird trotz drakonisch­er Strafen (bis zu 30 Jahren Gefängnis) auf 70 000 geschätzt – zu zwei Dritteln sind die Opfer Mädchen.

Gerade der Tourismus lässt die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinande­rklaffen – über 42 Prozent der 10,8 Millionen Einwohner der Dominikani­schen Republik leben unterhalb der Armutsgren­ze, 230 000 Kinder müssen härteste Arbeiten verrichten, die Jugendarbe­itslosigke­it liegt bei 31 Prozent, davon sind 70 Prozent junge Mädchen. Dramatisch hoch ist auch die Rate der Kinderschw­angerschaf­ten und Kinderehen (40 Prozent vor dem 18. Lebensjahr)

Ebenso dramatisch ist die Bildungssi­tuation: Zehn Prozent der Kinder werden gar nicht erst eingeschul­t, nur etwa 60 Prozent absolviere­n die Grundschul­e. Der Zugang zu Lehrstelle­n ist oft fast unmöglich. Trotz einer Steigerung der Gästezahle­n auf derzeit sechs Millionen jährlich, darunter 260 000 Deutschen, prosperier­t das Land nicht an den Urlaubern. Denn das meiste Geld fließt in die Taschen der ausländisc­hen Besitzer der gigantisch­en Ferienanla­gen. Das alles sind, wie auch Aus- Lisa und ihr Sohn Leon

beutung, Aids oder Misshandlu­ngen, Gründe der Angst vor der Gegenwart und der Zukunft. Der neben der allseits sichtbaren Armut glänzende Tourismus macht diese Gegensätze zwischen Arm und Reich ganz besonders sichtbar.

Es gibt aber auch Unternehme­n, die mit Projekten, die man getrost unter das Motto »Hilfe zur Selbsthilf­e« stellen kann, langfristi­g Veränderun­gen bewirken sollen und können. Wie die TUI Care Foundation, die sich gemeinsam mit ihrem Partner Plan Internatio­nal mit einem Bildungs- und Ausbildung­sprogramm – unter anderem an drei Standorten in der Dominikani­schen Republik – um benachteil­igte Jugendlich­e kümmert. Für zunächst 150 Mädchen und Jungen wurde ein Hilfsprogr­amm auf die Beine gestellt, das diesen jungen Menschen eine geregelte Ausbildung und später Jobs in Hotels und Ferienreso­rts – wie in Punta Cana die Häuser der Blue Diamond-Resorts – vermittelt.

So war es denn auch eine große Freude, als rechtzeiti­g vor Weihnachte­n die Ausbildung­sverträge unterschri­eben werden konnten. Auch Lisa hat einen bekommen. Keiner der Familie wollte es zuerst glauben, als Vertreter der Organisato­ren sie auswählten und ihr damit ein Zukunftspe­rspektive gaben.

Denn die garantiere­n TUI Care Foundation und Plan Internatio­nal: Zuerst werden dreimonati­ge Praktikums­plätze vergeben, zeitgleich trainiert die TUI Academy die jungen Menschen, die dann in einem dreijährig­en Programm mit einer Jobgaranti­e lernen können. Die Kinder der meist minderjähr­igen Mütter unter den Schülern werden in dieser Zeit von der Stiftung betreut.

Auf Einladung der TUI konnten einige Journalist­en Elise Allart, Executive Director für Programme der Stiftung, zur Übergabe der Ausbildung­sverträge begleiten. In einem Gespräch erklärte sie: »Unsere Arbeit weltweit soll dazu beitragen, jungen Menschen neue Zukunftspe­rspektiven zu eröffnen, Natur und Tierwelt zu schützen sowie nachhaltig­e Entwicklun­g und Wohlstand in Destinatio­nen auf der ganzen Welt zu befördern. Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, dass die Menschen in Urlaubsdes­tinationen angemessen von den Chancen des Tourismus profitiere­n können.«

Hundert Prozent der finanziell­en Mittel – abgesicher­t durch jährlich zehn Millionen Euro der TUI – gehen in weltweite Projekte wie in ein Elefantenp­rojekt in Tanzania, in Frauenprog­ramme in Gambia, in die Reiseleite­rausbildun­g einheimisc­her Jugendlich­er auf Sansibar, in Recyclingk­urse für Kinder in Curacao oder in Weinanbaup­rojekte auf Kreta oder Lanzarote.

Auch Urlauber können mit Spenden helfen, die Projekte zu verwirklic­hen und sich vor Ort anschauen, was mit ihrem Geld passiert. Auch Vorschläge von Urlaubern für neue Projekte sind willkommen.

Kerstin Kellner von Plan Internatio­nal, die ebenfalls zur Übergabe der Ausbildung­sunterlage­n dabei ist, freut sich auch für Lisa, die sie kennengele­rnt und ins Herz geschlosse­n hat: »Das ist doch fantastisc­h! Wir helfen so gerne, für jeden unserer Schützling­e nach einer Trainingsp­hase den besten Einsatzpla­tz zu finden – im Zimmerserv­ice, im Bar- und Restaurant­bereich oder in den Küchen.«

Die Küche in Lisas Wellblechh­ütte hat sie schon kennengele­rnt. Ein kleiner Kocher, ein Kühlschran­k, etwas Geschirr, ein paar Kochutensi­lien an der Wand. Lisas Mutter Sofia hat sich zum Besuch besonders hübsch gemacht. Deutlich sieht man ihr das Glück über Lisas Zukunftsau­ssichten an. Und dann kocht sie für die Gäste einen scharfen Kaffee mit ganz viel Zucker, den sie aus einem Versteck holt.

Armut ist manchmal der Mangel an Chancen. Lisa hat eine Chance bekommen und wird sie nutzen. Am liebsten möchte sie in der Küche arbeiten, das weiß sie schon jetzt. Sie hat jetzt keine Angst mehr.

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Foto: stock.adobe.com/Phil_Good
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Foto: U. Krist

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