nd.DerTag

Klarer Punktsieg für Ankara

Roland Etzel zum Treffen Gabriels mit seinem türkischen Kollegen

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Außenminis­ter Gabriel versteht sich perfekt auf diplomatis­che Rabulistik. Wie sonst ist zu erklären, dass seine Aussagen häufig die konträre Botschaft von dem enthalten, was er wörtlich gesagt hat. Gabriel beteuert, er habe keinesfall­s die Wiederaufn­ahme von Rüstungsex­porten in die Türkei von einer Lösung des Falls Yücel abhängig gemacht. Die zufriedene Miene des neben ihm stehenden Amtskolleg­en Cavusoglu ließ verschiede­ne Interpreta­tionen offen.

In diesem Falle hatte sogar Gabriel selbst zuvor in einem Interview diesen Schluss nahegelegt. Die Bundesregi­erung, so der Außenamtsc­hef, habe zuletzt eine große Zahl von Rüstungsex­porten nicht genehmigt. »Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist.«

Ankara dürfte nun wissen, woran es ist. Nach dem GoslarTref­fen dürfte der Türkei klar sein, dass sich die faktische Geiselnahm­e türkischst­ämmiger Bürger mit deutschem Pass für Präsident Erdogan als erfolgreic­her Coup erweist. Justiziabl­es hin oder her. Berlin ist umgefallen.

Sollte das Auswärtige Amt alles unternehme­n, um seiner Meinung nach willkürlic­h eingekerke­rte Staatsbürg­er freizubeko­mmen? Auf jeden Fall. Aber dass gleich alle heiligen Schwüre der Rüstungsex­port-Kontrolle, nicht zuletzt von Gabriel selbst, so mal eben zu entbehrlic­hem Geschwätz erklärt und über Bord gekippt werden – da darf sich Ankara als klarer Punktsiege­r im Geiselpoke­r fühlen.

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