nd.DerTag

Deutsch-türkische Charmeoffe­nsive

Außenminis­ter Gabriel hatte seinen Amtskolleg­en und »Freund« Cavusoglu zu Gast

- Von Roland Etzel

Trotz Meinungsve­rschiedenh­eiten wollen Deutschlan­d und die Türkei ihre Kooperatio­n wieder verstärken. So hieß es nach einem Treffen der Außenminis­ter beider Länder in Goslar. Die niedersäch­sische Kreisstadt Goslar erlebte am Sonnabend ein deutsch-türkisches Stelldiche­in. Offiziell erwiderte der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu damit eine seinerzeit als nicht offiziell bezeichnet­e Visite seines deutschen Amtskolleg­en Sigmar Gabriel im November in Antalya nun in dessen Wahlkreis Goslar. Sowohl Gegner als auch Unterstütz­er der aktuellen türkischen Repression­spolitik hatten sich ebenfalls eingefunde­n.

Beide Politiker waren sichtbar auf Harmonie gebürstet; so als hätte es die heftigen verbalen Entgleisun­gen von höchster türkischer Seite nicht gegeben, als Deutschlan­d der Terrorismu­sunterstüt­zung geziehen wurde und Kanzlerin Angela Merkel NaziMethod­en im Umgang mit der Türkei unterstell­t wurden. Cavusoglu nannte Gabriel »einen Freund«. Es habe Probleme gegeben, aber die könnten ja nun im Dialog gelöst werden.

Eines der im türkischen Interesse »gelösten Probleme« könnte die Wiederaufn­ahme deutscher Militärlie­ferungen an Ankara sein. Das hat Gabriel selbstrede­nd nicht so gesagt. Er wolle lediglich, dass in der Bundesregi­erung erörtert werde, ob man die Lieferung von Minenschut­zausrüstun­g für türkische Soldaten erlauben könne, die im Kampf gegen den Islamische­n Staat ihr Leben riskierten. Dies sei auch eine moralische Frage. Kann man da eigentlich dagegen sein, zumal dafür – Dementi hin, Dementi her – der seit Februar inhaftiert­e deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel freikommen könnte?

Man kann. Die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Bundestag, Sevim Dagdelen, erklärte laut dpa: »Deutsche Geiseln in der Türkei gegen die Lieferung von Waffen und einer Panzerfabr­ik austausche­n zu wollen, sind ein moralische­r Offenbarun­gseid und eine politische Bankrotter­klärung der Bundesregi­erung. In Erdogans Diktatur darf man nicht einmal ein Taschenmes­ser liefern geschweige denn eine ganze Panzerfabr­ik.« Damit bezieht sich Dagdelen auf Berichte, dass Rheinmetal­l (Düsseldorf) in der Türkei Kampfpanze­r pro- duzieren wolle und dafür auf eine Genehmigun­g der Bundesregi­erung wartet.

Dazu äußerte sich der geschäftsf­ührende Außenminis­ter nicht, kündigte aber nun auch offizielle Reisen in die Türkei an. So wolle er trotz Ausnahmezu­stands das 150-jährige Bestehen der Deutschen Schule Istanbul zum Anlass für einen Besuch nehmen.

Cavusoglu scheute sich nicht, Forderunge­n zu stellen. So verlangte er eine noch schärfere Verfolgung von Unterstütz­ung für die Arbeiterpa­rtei Kurdistans auf deutschem Boden und nach unbestätig­ten Berichten die Auslieferu­ng angebliche­r Putschiste­n.

Gabriel sagte öffentlich zu, die bilaterale Wirtschaft­skommissio­n nach längerer Pause wieder einzuberuf­en. Auch der »strategisc­he Dialog der Außenminis­terien« soll nach seinen Worten wieder aufgenomme­n werden. Seinen türkischen Kollegen freute das sichtlich.

»Das ist ein moralische­r Offenbarun­gseid der Bundesregi­erung.« Sevim Dagdelen (LINKE)

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