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Notfalls Twitter abschalten

Staaten sollen handeln, bevor es zu spät ist, meint Florian Haenes

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Um die Tragweite des Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetzes zu verstehen, muss man zunächst eine Tatsache akzeptiere­n: Die demokratis­che Öffentlich­keit ist abgewander­t in den digitalen Raum. Debattiert wird nicht mehr in Kneipen und beim Kaffee. Diskutiert wird im Internet. Demokratie­praktisch ist das ein Problem. Denn Torwächter der deutschen Öffentlich­keit sind nunmehr die hierarchis­ch geführten US-Konzerne Twitter und Facebook.

Ein Dilemma für den Staat. Um seine Hoheit über die Meinungsfr­eiheit zu bewahren, müsste er mit den Unternehme­n den Konflikt wagen. Doch die werden sich staatliche­m Druck nicht freiwillig beugen. Einmal angenommen, ein Gericht würde Twitter zwingen, einen Tweet zu löschen und das Unternehme­n weigert sich: Soll die Bundesregi­erung dann eine Netzsperre verhängen? China macht das – aus gutem Grund macht die Bundesrepu­blik das nicht. Das neue Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz setzt auf Kooperatio­n. Der Fall Titanic aber zeigt: auch das ist keine Lösung.

Tatsächlic­h ist es unmöglich, ein in jeder Konsequenz freiheitli­ches Gesetz zu stricken. Die Machtkonze­ntration im digitalen Raum nimmt rasend schnell apokalypti­sche Ausmaße an. Es ist besser, demokratis­ch verfasste Staaten wehren sich jetzt dagegen und reglementi­eren das Internet, als dass eines Tages ein Kindsgott wie Mark Zuckerberg die Welt regiert.

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