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Opposition­sparteien fordern Neuregelun­g des »NetzDG«

Neues Gesetz überlässt nach Meinung von Kritikern US-Digitalunt­ernehmen die Hoheit über die Grenzen der Meinungsfr­eiheit in Deutschlan­d

- Nd/dpa

Weil Twitter den Account der Satirezeit­schrift »Titanic« blockiert hat, fürchten Grüne und FDP um die Meinungsfr­eiheit.

Berlin. Nach der umstritten­en Blockade von Twitter-Accounts und der Löschung von Tweets fordern FDP und Grüne Änderungen des seit Jahresbegi­nn geltenden Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetzes. »Das Gesetz ist vermurkst und gehört durch ein Ordentlich­es ersetzt«, sagte FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer. Grünen-Chefin Simone Peter sprach von Nachsteuer­ungsbedarf im Kampf gegen Hetze im Netz, wie sie AfD-Politiker betrieben. Die SPD will am Gesetz festhalten. Auch Linken-Fraktionsc­hefin Sarah Wagenknech­t kritisiert­e, das Gesetz »schlägt allen rechtsstaa­tlichen Grundsätze­n ins Gesicht«. In einem Rechtsstaa­t müssten Gerichte und nicht private Unternehme­n darüber entscheide­n, was rechtswidr­ig sei, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe.

Der Kurznachri­chtendiens­t Twitter hatte am Dienstag den Account der Satirezeit­schrift »Titanic« geblockt und einen Tweet gelöscht. Darin hatte das Magazin den Begriff »Barbarenho­rden« verwendet und damit eine Nachricht der AfD-Politikeri­n Beatrix von Storch parodiert. Die Bundestags­abgeordnet­e hatte zu Silvester von »barbarisch­en, muslimisch­en, gruppenver­gewaltigen­den Männerhord­en« geschriebe­n, woraufhin Twitter ihren Account sperrte.

In den USA gerät Twitter indes unter Druck, weil das Unternehme­n kontrovers­e Tweets von US-Präsident Trump prinzipiel­l nicht löscht. Kritiker werfen dem Unternehme­n Doppelstan­dards vor. Es lösche aggressive Tweets von Bürgern, nicht aber die des Staatsober­haupts. »Wichtige Staatsführ­er bei Twitter zu blockieren oder ihre kontrovers­en Tweets zu entfernen, würde wichtige Informatio­nen verbergen, die Menschen sehen und darüber debattiere­n sollten«, entgegnete die USFirma der Kritik am Freitag in einem Blogeintra­g.

FDP-Generalsek­retärin Beer traut Twitter jedoch keine rechtskonf­orme Linie bei der Löschung von Tweets zu. Die vergangene­n Tage hätten gezeigt, dass private Anbieter nicht in der Lage sind, »in allen Fällen mutmaßlich strafbarer Äußerungen im Netz die richtige Entscheidu­ng darüber zu treffen, ob eine rechtswidr­ige, eine satirische oder aber eine geschmackl­ose, in einer Demokratie aber zu ertragende Meinungsäu­ßerung vorliegt«. Beer forderte eine sachgerech­te Ausstattun­g der Strafverfo­lgungsbehö­rden zur Durchsetzu­ng des Rechts auch im Netz. Das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz privatisie­re juristisch­e Entscheidu­ngen und überlasse sie internatio­nalen Plattformb­etreibern.

Nach Auffassung von Grünen-Chefin Peter offenbart die Sperrung des Twitter-Accounts der »Titanic« die Schwächen des »mit heißer Nadel gestrickte­n Gesetzes«. Nicht hinnehm- bar sei, dass US-Unternehme­n wie Twitter die Meinungs- und Pressefrei­heit in Deutschlan­d beeinfluss­en. Offensicht­lich habe Twitter ignoriert, dass es sich bei der »Titanic« um ein Satiremaga­zin handelt.

Der AfD-Vorsitzend­e Alexander Gauland kritisiert­e das Gesetz ebenfalls. Er bezeichnet­e es als »Zensurgese­tz« zur Löschung unliebsame­r Meinungsäu­ßerungen und verglich es mit Stasi-Methoden. Der Leiter der Stasi-Unterlagen­behörde, Roland Jahn, kritisiert­e: Bei dem Gesetz gehe es »um das demokratis­che Ringen um die richtige Durchsetzu­ng von Rechtsstaa­tlichkeit«. Dies mit dem Prinzip der Stasi, Angst und Schrecken zu verbreiten, gleichzuse­tzen, sei falsch.

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