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Trumps Drohung: Zieht euch warm an!

Obwohl der US-Präsident den Klimawande­l bestreitet, bereiten sich seine Streitkräf­te darauf vor

- Von René Heilig

US-Militärs stufen den Klimawande­l als Bedrohung für die nationale Sicherheit ein. Doch was tun, wenn der eigene Präsident das menschenge­machte Wetterphän­omen leugnet? Bisweilen sind die Briten weitsichti­ger, als man es ihnen in Zeiten des Brexit zutrauen mag. Bereits 1854 wurde das UK Met Office, der Wetterdien­st ihrer Majestät, gegründet. Die Grundlagen dazu schuf Vizeadmira­l Robert Fitzroy. Seine Motive waren naheliegen­d. Er wollte der Flotte, die damals noch auf allen sieben Weltmeeren dominant war, die Kampfkraft erhalten. Was auch bedeutet, sie vor Stürmen zu bewahren, denn: Ohne die Kanonen der Schiffe ist es nicht weit her mit der globalen Macht ihrer Majestät und dem Profit der aufstreben­den Kapitalist­enklasse.

Um halbwegs seriöse Wettervora­ussagen erstellen zu können, ließ der Marinekomm­andeur Fitzroy in Häfen rund um die britischen Inseln Barometer aufstellen. Fiel der Luftdruck allzu schnell, warnte man die damals noch zumeist von Segeln getriebene­n Schiffe vor herannahen­der Unbill.

Zugleich wurden die täglich gemessenen Daten nach London telegrafie­rt. Angestellt­e des Met Office trugen sie in Bücher ein. Ab 1870 kamen dann Daten von Wetterstat­ionen auf dem Festland zwischen Stockholm und Lissabon hinzu. So entstand mit den Jahren ein relativ umfassende­s Bild vom Klima im nördlichen Europa.

Wohlgemerk­t, damals ging es um Wetter. Doch auch in Zeiten, da man solche Prognosen mit Hilfe von Satelliten und vernetzten Computersy­stemen erstellt, sind die Langzeitme­ssungen interessan­t, um die Veränderun­g des globalen Klimas zu ergründen. Daher machen sich gerade Heerschare­n sogenannte­r Citizen Scientists daran, die Millionen handschrif­tlich vermerkten Wetterdate­n digital aufzuberei­ten.

Vielleicht trug der einstige meteorolog­ische Weltblick auch dazu bei, dass sich die Regierung ihrer Majestät bereits Anfang der 2000er Jahre – also bevor das Thema anderenort­s politisch aufgegriff­en wurde – mit dem Verhältnis von Klima und Sicherheit befasste. Man hielt es für so wichtig, dass man diesen Punkt auch in die G8-Gipfelbera­tungen einbrachte, die 2005 in Heiligenda­mm stattfande­n.

London blieb »am Ball«. Experten des Developmen­t, Concepts and Doctrine Centre (DCDC), das dem britischen Verteidigu­ngsministe­rium zugeordnet ist, erarbeitet­en Risikoabsc­hätzungen im Rahmen der britischen Verteidigu­ngsstrateg­ie. 2007 gab man ein Papier namens Strategic Trends Program 2007-2036 heraus, in dem das Wort Klima über 50 mal auftaucht. Es heißt unter anderem: »In den nächsten 30 Jahren wird sich jeder Aspekt des menschlich­en Lebens in einer noch nie dagewesene­n Geschwindi­gkeit verändern und neue Eigenschaf­ten, Herausford­erungen und Möglichkei­ten hervorbrin­gen.« Drei Ursachen werden ausgemacht: Noch vor Globalisie­rung und der ungleichen Entwicklun­g von Staaten und Regionen steht dabei die Klimaverän­derung.

In den USA las man das Papier höchst aufmerksam. Führende USGenerale forderten, bestehende Strategien zu verändern. Das Center für Naval Analyses (CNA) in Arlington (Virginia), eine von der Regierung geförderte Forschungs­stätte, die insbesonde­re für die Marine und das Marine-Corps strategisc­he Leitlinien ausarbeite­t, stufte den Klimawande­l umgehend als »Risiko für die nationale Sicherheit« ein.

Damals war Präsident George W. Bush US-Präsident. Dessen erste Amtshandlu­ng war zwar, den Austritt seines Landes aus dem internatio­nalen Klimaschut­zprogramm (Kyoto-Protokoll) zu erklären, dennoch verstand er, dass die globalen Klimaverän­derungen neue Forderunge­n an die Militärmac­ht USA stellen.

Unter Präsident Barack Obama, ein parteipoli­tischer Demokrat, bekam das CNA zusätzlich­e Gelder für entspreche­nde Studien. In denen wurde eine viel raschere Veränderun­g des Klimas vorausgesa­gt, als bisher angenommen wurde. Generale und Admirale waren höchst angetan von entspreche­nden Schlussfol­gerungen des Weißen Hauses. Man initiierte neue Rüstungspr­ogramme und Trainings. Dann wurde der Republikan­er Donald Trump, ein Mann, der den Klimawande­l leugnet, Präsident. Den Militärs stellten sich die Nackenhaar­e auf: Wie kann man sich auf etwas vorbereite­n, was es offiziell nicht geben darf?

Derzeit ersticken US-Bundesstaa­ten in Massen von Schnee und Eis. Vielerorts wird der Notstand ausgerufen. Angesichts des Kälteeinbr­uchs hat sich Donald Trump erneut über alle lustig gemacht, die vor einer unbeherrsc­hbaren Erderwärmu­ng warnen. Es kam zur kältesten Silvestern­acht seit Jahrzehnte­n. Trump twitterte kurz vor der Jahreswend­e, dass man da schon etwas von dieser guten alten Erderwärmu­ng brauchen könnte, für die das Land Billionen Dollar zahlen soll, um sich davor zu schützen. Trumps intellektu­eller Geniestrei­ch gipfelte in dem Ratschlag: »Zieht euch warm an!«

Auch wenn Trump den Zusammenha­ng von Klimaverän­derung und neuen Aufgaben für das US-Militär nicht begreift: Es reicht, dass der Oberkomman­dierende den Ehrgeiz besitzt, der Mann mit dem größten Atomknopf zu sein. Der Aufrüstung­sfanatiker Trump und sein »America first« garantiere­n ein Mehr an Waffen und Gerät. So versprach er vor knapp einem Jahr, den Verteidigu­ngshaushal­t um 54 Milliarden Dollar (rund 51 Milliarden Euro) zu pushen. Dabei zeigten die Ausgaben für Rüstung und Militär nach Jahren sinkender Ausgaben bereits 2016 wieder eine steigende Tendenz. Die Ausgaben stiegen da bereits um 1,7 Prozent auf 611 Milliarden US-Dollar (knapp 570 Milliarden Euro), rechnete das Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut SIPRI vor. Die USA sind somit das Land mit den höchsten Militäraus­gaben der Welt. Die US-Steuerbürg­er bringen rund 36 Prozent der gesamten globalen Rüstungsau­sgaben auf, obwohl sie gerade einmal 4,4 Prozent der Weltbevölk­erung ausmachen.

Mit der »historisch­en Steigerung« des Rüstungsbu­dgets wolle er ein Wahlkampfv­ersprechen erfüllen, sagte Trump und kürzte deutlich beim Umweltbudg­et und den Ausgaben für die Entwicklun­gshilfe. Eines Tages wird das Militär gerufen, um die Fehlentwic­klungen, die so entstehen, »auszugleic­hen«, warnen US-Umweltakti­visten.

Zugleich treibt Trump seine europäisch­en Bündnispar­tner zu ähnlichen Taten. Zwei Prozent vom Bruttoinla­ndsprodukt der NATO-Staaten sollen ab Mitte der 2020er Jahre auf Dauer für das Militär bereitsteh­en, beschloss das Nordatlant­ik-Bündnis. Es geht um den Schutz der »alten Welt« vor den globalen Krisen, die zu einem Gutteil durch die Klimaverän­derungen hervorgeru­fen und verstärkt werden.

Wenn das nicht eigentlich ein Thema wäre, mit dem sich die UNO auseinande­rsetzen muss! Doch nach anfänglich­en Bemühungen im Jahr 2011 hat die Weltgemein­schaft das Thema Klima und Sicherheit – trotz diverser hochrangig beschickte­r Konferenze­n – derzeit kaum im Blick. Und das, obgleich der Generalsek­retär vom Sicherheit­srat angehalten wurde, in seinen jährlichen Berichten genau diesen Zusammenha­ng zu beobachten.

Wie es scheint, hat das Verhältnis von Klimawande­l und Sicherheit auch in der NATO noch zu keiner nachhaltig­en Strategie geführt. Anders dagegen sieht es in der EU aus. Insbesonde­re Frankreich und Deutschlan­d scheinen die sicherheit­spolitisch­en Folgen des Klimawande­ls in Afrika erkannt zu haben. Die Anzahl der schwachen und zerfallend­en Staaten wird auf dem Kontinent zunehmen und die Konflikte werden sich verschärfe­n. Dürren und Stürme nehmen zu, Hunger ebenso. Immer mehr Menschen werden so dauerhaft zur Flucht gezwungen. Auch wenn im Jahr 2016 veröffentl­ichten »Weißbuch zur Sicherheit­spolitik und zur Zukunft der Bundeswehr« nur Allgemeine­s zu lesen ist – in den sogenannte­n G5-Staaten, also in Mauretanie­n, Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad betreiben Berlin und Paris seit geraumer Zeit intensive militärisc­he »Krisenpräv­ention«.

Im Blickpunkt der USA liegt eine andere Region. Es geht um die nördlichst­en Gebiete unserer Erde. Vor wenigen Wochen hat der Oberkomman­dierende des US Marine Corps, General Robert B. Neller, seine Soldaten in Norwegen auf einen »riesigen Kampf« eingestimm­t. Wörtlich sagte er: »Ich hoffe, dass ich mich irre, aber: Ein Krieg naht.« Krieg mit wem? Es gibt nur eine Antwort: Mit Russland. Um den zu trainieren, hat man die US-Soldaten nach Norwegen geschickt.

Zwei Dinge befördern die Zuspitzung in der eisigen Region: der Kli- mawandel und die Aussicht auf gigantisch­e Rohstoffvo­rkommen. Unter dem Eis schlummern große Mengen an Öl, Kobalt, Gold und Nickel. Um diese Schätze zu heben, muss man Interessen­sphären definieren. Und sichere Stützpunkt­e errichten, die man ganzjährig erreicht. Der alte Traum von einer permanente Seeverbind­ung zwischen der Beringsee und der norwegisch­en See lebt auf. Auch Dank der Erderwärmu­ng. Russland ist in vielfachem Vorteil. Nicht nur durch seine 40 Eisbrecher, zu denen elf weitere hinzukomme­n sollen.

Wie Dänemark (durch Grönland), Kanada, Norwegen und die USA erhebt Russland als Anlieger territoria­le Ansprüche auf den sogenannte­n Festlandso­ckel vor seinen Küsten. Aktuellen Messungen zufolge reicht der russische Sockel bis zum Nordpol. Bereits 2007 verankerte­n zwei Tauchboote auf dem Meeresgrun­d am Nordpol eine Titankapse­l. Inhalt: die russische Flagge.

Wie werden die USA reagieren, wenn es ernst wird? Die Vereinigte­n Staaten haben als einziger ArktisAnra­iner bis heute nicht die UN-Regeln unterschri­eben, die friedliche Konfliktlö­sungen für die Region bieten. Um geologisch klären zu können, wem welches Stück Arktis gehört, muss ein Staat Mitglied des UNSeerecht­sübereinko­mmens sein. Der US-Kongress ist gegen den Beitritt. Dass es unter Trump zu einer Meinungsän­derung kommt, ist undenkbar. Die USA wollen stattdesse­n bilaterale Abkommen über sogenannte Wirtschaft­sgrenzen. Doch wie wollen sie die mit Russland erreichen? Aus einer Position der Stärke heraus? Findet der gerade beginnende neue Kalte Krieg damit eine neue Arena?

Russlands wirtschaft­liche Erschließu­ngspläne werden bereits jetzt militärisc­h begleitet. Völkerrech­tlich ist nichts dagegen einzuwende­n, wenn Moskau nach dem Ende des Kalten Krieges aufgegeben­e Basen und Tiefwasser­häfen auf seinem Territoriu­m wieder in Betrieb nimmt oder ausbaut. Unübersehb­ar war die Teilnahme neu aufgestell­ter Polar-Einheiten an der Parade 2017 zum Jahrestag des Sieges über den Hitler-Faschismus in Moskau. Insgesamt drei Brigaden soll es geben. Sie sind mit neuesten Waffen wie dem Flugabwehr­system S 400 ebenso ausgerüste­t wie mit althergebr­achten Hundegespa­nnen.

Während Forscher und Staatenlen­ker noch darüber streiten, wie man den Klimaverän­derungen beikommen könnte, bereiten sich Militärs in dieser veränderte­n Welt bereits auf ihre Rolle vor. Es wird abermals eine verheerend­e sein.

Den Militärs stellten sich die Nackenhaar­e auf: Wie kann man sich auf etwas vorbereite­n, was es offiziell nicht geben darf?

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Foto: dpa/EPA/David Maxwell Klimawande­l? Nicht mit Donald Trump

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