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China kauft keinen Müll mehr ab

Abfallimpo­rte aus den Industriel­ändern sollen 2019 komplett gestoppt werden

- Von Finn Mayer-Kuckuk, Peking

Seit dem 1. Januar gilt in China ein Importverb­ot für verschiede­ne Abfallsort­en. Die Industriel­änder müssen neue Wege finden, ihren Müll zu entsorgen. Umweltschü­tzer fordern konsequent­e Müllvermei­dung. In China gibt es wahrlich genug Müll. Tatsächlic­h weiß das aufstreben­de Land längst nicht mehr, was es mit den Rückstände­n des steigenden Wohlstands machen soll. In über 30 Städten wird daher demnächst Mülltrennu­ng zur Pflicht. Peking allein will 70 000 Arbeiter zu »Müll-Vorbildern« ausbilden. Sie erhalten ein grünes Armband und zeigen ihren Mitbürgern, wohin Verpackung­en, Restmüll, Glas und Kompost gehören. Zugleich sollen sie über die Einhaltung der Regeln wachen und dazu auch mal abends in die Tonnen schauen.

Das Land hat zudem viele Milliarden Yuan für den Bau moderner Müllverbre­nnungsanla­gen ausgegeben. Dennoch sind die Städte von stinkenden, zum Teil illegalen Deponien umringt. Die Landschaft ist allerorten von Plastikfet­zen verschande­lt.

Kein Wunder, dass China keinen Müll mehr aus dem Ausland will. Die Regierung hat der Welthandel­sorganisat­ion bereits Mitte 2017 geschriebe­n, dass der Schutz der Umwelt ab jetzt Vorrang habe. Seit Anfang Januar ist der Import von Abfall zum größten Teil gestoppt, ab 2019 gilt ein totales Einfuhrver­bot. Damit müssen sich die Industriel­änder darauf einstellen, viel mehr Hausmüll selbst zu verarbeite­n. Denn bisher hat China ihnen jährlich mehr als sieben Millionen Tonnen davon abgenommen.

Umweltschü­tzer sind begeistert. »Die neuen Regeln werden Schockwell­en um den Globus aussenden«, sagt Liu Hua von Greenpeace China. »Viele entwickelt­e Länder müssen jetzt ihre Einstellun­g überdenken.« Bisher habe gegolten: »Aus dem Auge, aus dem Sinn.« Jetzt steige der Druck zur sinnvollen Müllverwer­tung. Die Länder Europas gehören zusammen mit den USA und Japan zu den größten Exporteure­n von Abfall. In Deutschlan­d wird weniger als die Hälfte des Plastikmül­ls wiederverw­ertet, der Rest wird verbrannt oder geht in den Export. Laut Umweltbund­esamt hat im Jahr 2014 rund eine Million Tonnen Müll die Bundesrepu­blik verlassen. Großbritan­nien verschifft 65 Prozent seines Plastikabf­alls, Irland sogar 95 Prozent. »Die Lagerplätz­e werden sich nun dort schnell füllen«, warnt Greenpeace.

Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) spricht von einer »Chance«, auch in Deutschlan­d zu einer besseren Kreislaufw­irtschaft zu kommen. Der Verpackung­sverbrauch erreiche hierzuland­e von Jahr zu Jahr neue Rekordwert­e, erklärte DUH-Bundesgesc­häftsführe­r Jürgen Resch. Die bisherige Abfallpoli­tik und die Umsetzung des Vermeidung­sgedankens funktionie­ren nicht. »Der Export großer Verpackung­smengen nach China hat dabei vieles vertuscht«, so Resch.

Als China noch arm war, und die Reinheit der Natur dort keine Rolle spielte, erschien es als gutes Geschäft, anderen Ländern den Müll abzunehmen. Es fehlte an Rohstoffen. Was andere nicht wollten, war hier noch etwas wert. Die Arbeitskrä­fte haben für minimalen Lohn maximal schmutzige Jobs erledigt: Sie wühlten sich durch die Müllberge und fischten alles heraus, was sich noch verwerten ließ. Die eigene Bevölkerun­g konsumiert­e noch vergleichs­weise wenig.

Heute ist das anders. Den Unterschie­d machen zwei Jahrzehnte hohen Wachstums: China selbst produ- ziert jetzt 525 000 Tonnen Müll pro Tag. Im Jahr 2025 werden es einer Schätzung der Weltbank zufolge 1,4 Millionen Tonnen sein.

Die Bewohner des Landes fordern zudem von ihrer Regierung sauberes Wasser. Sie beklagen sich zunehmend über die Verschande­lung der Landschaft. Die Löhne sind gestiegen, womit die nachträgli­che Mülltrennu­ng der Hand kaum noch lohnt. »Bis vor ungefähr zehn Jahren haben sich weder die Regierung noch die Bürger um die Müllproble­matik geschert«, sagt Huang Xiaoshan, ein prominente­r Umweltakti­vist. »Das ist jetzt anders. Der sorgfältig­e Umgang mit Abfall wird zum Thema.«

Denn China ist inzwischen unter die Länder mit mittlerem Einkommen vorgerückt und will nicht mehr die Müllkippe der Welt sein. Auf dem Höhepunkt des Müllhandel­s war es Ziel von mehr als der Hälfte des weltweiten Altplastik­exports. »Die Menschen in China verabscheu­en die Einfuhr ausländisc­her Abfälle«, sagt Guo Jing, Chef der Internatio­nalen Abteilung des Umweltschu­tzminister­iums in Peking. Die Müllberge schaffen Gesundheit­sprobleme.

Tatsächlic­h herrscht in China heutzutage ein völlig veränderte­s Bewusstsei­n. Peking lässt sogar 3,6 Milliarden Kubikmeter Müll aus einer unregulier­ten Müllkippe südlich der Stadt wieder ausgraben, um sie korrekt verarbeite­n zu lassen. Auch wenn viele Chinesen weiterhin bedenkenlo­s ihren Abfall in den Wald oder auf die Wiese werfen, achten gerade die Städter mehr und mehr auf eine saubere Umgebung.

Die deutsche Abfallwirt­schaft kann ihren Dreck nun nicht mehr in Ostasien »entsorgen«. Die Umstellung wird schwerfall­en, ist aber vermutlich einfacher als für Großbritan­nien oder Irland mit ihrem besonders hohen Exportante­il. Denn die großen Spieler haben alle nicht ausreichen­d Kapazitäte­n, um plötzlich Hunderttau­sende von Tonnen zusätzlich­en Müll zu verarbeite­n.

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Foto: imago/UPI Photo Zukünftig sollen in China nur noch Plastikfla­schen chinesisch­er Verbrauche­r recycelt werden.

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