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CO2-Abgabe für die Umwelt

In den Sondierung­sverhandlu­ngen könnte es auch um neue Mittel der Klimapolit­ik gehen

- Von Susanne Schwarz

Ein Papier mit klimapolit­ischen Forderunge­n zu den anstehende­n Gesprächen um eine Große Koalition, das augenschei­nlich aus den Reihen der SPD stammt, sorgt für Wirbel. Ein Wort hat es wohl schon jetzt in die noch nicht gestartete­n Sondierung­sgespräche um eine neue Große Koalition geschafft: der CO2-Preis. In einem dieser Zeitung vorliegend­en Papier aus SPD-Kreisen wird genau so einer gefordert: Es müssten ein »klar definierte­s CO2-Steuerungs­element eingeführt und die Abgaben auf fossile Energieträ­ger entspreche­nd erhöht« werden, heißt es in dem Dokument. Sein Titel: »Von der Stromwende zur Energiewen­de. Ein ökonomisch und ökologisch erfolgreic­hes Projekt der 19. Legislatur­periode«.

Das entspricht sicher dem Zeitgeist: Die CO2-Bepreisung hat Hochkonjun­ktur, seit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron das Thema zum Weltklimag­ipfel in Bonn groß auf die Agenda gesetzt hat. Das neue Papier ist aber ein kleines Mysterium: Wo genau es herkommt, ist unklar.

In Abgeordnet­enkreisen heißt es, das Dokument stamme aus dem Bun- deswirtsch­aftsminist­erium, was dieses allerdings auf Anfrage des »nd« nicht bestätigt. Mittlerwei­le haben mehrere SPD-Spitzenpol­itiker öffentlich bestritten, von dem Papier zu wissen. Da aber jeder der 14 inhaltlich­en Punkte eine kleine Zusammenfa­ssung enthält, die mit »KoaV« betitelt ist, ist anzunehmen, dass das Papier für die Koalitions­verhandlun­gen vorbereite­t wurde.

Bisher gibt es verschiede­ne ökologisch motivierte Steuern und Abgaben in Deutschlan­d – allerdings auf Produkte wie Strom, Benzin und Diesel, nicht auf das Treibhausg­as Kohlendiox­id an sich. Welche Nachteile das haben kann, zeigt die Stromsteue­r, die die SPD – traut man dem neuen Papier – im Gegenzug zum neuen CO2-Preis senken möchte.

Als Rot-Grün die Stromsteue­r 1999 ins Leben rief, war Strom ein klimaschäd­liches Produkt, er stammte fast vollständi­g aus Kohle- und Atomkraftw­erken. Mittlerwei­le liegt die erneuerbar­e Erzeugung immerhin bei etwa einem Drittel, aber Strom unterliegt immer noch der Stromsteue­r. Deren Höhe hängt nicht davon ab, wie klimafreun­dlich oder -schädlich der Strom erzeugt wurde.

Auch auf Heizöl oder Autokrafts­toffe ist eine Abgabe fällig, nämlich die Energieste­uer. Allerdings bekommt der Diesel dabei starke Rabatte gegenüber dem Benzin – ohne klimafreun­dlicher zu sein.

Ein CO2-Preis könnte dagegen für alle Sektoren gleicherma­ßen gelten. Durch gleichzeit­iges Stellen mehrerer Schrauben – etwa auch die Abschaffun­g der Industrier­abatte bei der EEG-Umlage – soll der Wechsel »haushaltsn­eutral« und ohne Mehrbelast­ung für die Verbrauche­r erfolgen. Heizen und Tanken würde etwas teurer, Strom etwas billiger.

In der deutschen Parteienla­ndschaft wäre die SPD, wenn sie denn tatsächlic­h mit den Forderunge­n in die Gespräche geht, nicht allein: Auch die LINKE will die Stromsteue­r senken, die momentan zwei Cent am Kilowattst­undenpreis von etwa 29 Cent ausmacht. Grüne und FDP wollen sie sogar ganz abschaffen – allerdings aus unterschie­dlichen Gründen: Während die Liberalen sie ersatzlos streichen wollen, was sich bei ihrer eher geringen Höhe ganz besonders für industriel­le Großkunden lohnen würde, sind die Grünen schon mit der Forderung nach einem sektorüber­greifenden CO2-Preis in den Wahlkampf gezogen.

Ob die Forderung in den Gesprächen zwischen Union und SPD beste- hen könnte, steht wieder auf einem anderen Blatt. CDU und CSU berufen sich bislang regelmäßig auf den europäisch­en Emissionsh­andel als ausschließ­liches und angeblich bestes Mittel für klimafreun­dliche Preissigna­le – obwohl der europäisch­e Markt-

CDU und CSU berufen sich bislang regelmäßig auf den europäisch­en Emissionsh­andel als ausschließ­liches und angeblich bestes Mittel für klimafreun­dliche Preissigna­le.

platz für Treibhausg­aszertifik­ate seit Jahren nicht richtig läuft und außerdem in Sektoren wie Verkehr, Landwirtsc­haft und Gebäuden gar nicht greift.

Anderersei­ts: In den Sondierung­sgespräche­n zu einer »Jamaika«-Koalition mit FDP und Grünen hatte auch die Union bereits eingewilli­gt, eine neue »sektorenüb­ergreifend­e und aufkommens­neutrale« Energieste­uer zumindest zu prüfen, die sich am CO2Gehalt bemisst.

Zudem verraten die Autoren des SPD-Papiers nicht, wie sie sich ihren CO2-Preis genau vorstellen. Unklar ist beispielsw­eise, ob es einen Mindestpre­is pro Tonne geben soll.

Energieöko­nomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) findet, dass der Vorstoß »grundsätzl­ich in die richtige Richtung geht«, da Strom heute viel stärker belastet sei als Heizen und Tanken. Ihr zufolge verkennen die Autoren des Papiers aber trotzdem, woran es bei der Energiewen­de wirklich hakt. »Es wäre besonders wichtig, den Kohleausst­ieg heute einzuleite­n.« Das böse Wort mit dem K taucht in dem Papier aber nicht auf.

Letzteres kritisiert auch Annalena Baerbock, klimapolit­ische Sprecherin der Grünen. »Auch wenn noch nicht vollständi­g geklärt ist, welche Teile der SPD hinter dem 14-Punkte-Papier zur Energiepol­itik stehen, so zeigen die Inhalte doch eines sehr klar: Bei der SPD bleibt in der Energiepol­itik der Klimaschut­z noch größtentei­ls außen vor«, meint die Bundestags­abgeordnet­e. »Es fehlen konkrete Maßnahmen und ein klares Bekenntnis zum Kohleausst­ieg genauso wie konkrete Vorschläge zum schnellere­n Ausbau der erneuerbar­en Energien.«

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