»Ich möchte die Welt schöner gestalten«
Als Barbers Angels schneiden Friseure Bedürftigen die Haare – sie wollen ihnen mehr Selbstbewusstsein geben
Die Barbers Angels frisieren seit gut einem Jahr Bedürftigen die Haare und den Bart. Im Franziskanerkloster in Pankow hatten sie am Sonntag ihren ersten Einsatz in der Hauptstadt. Bruder Johannes, mit weißem Haar und langer Kutte, teilt am Sonntagmorgen die blauen Wartemarken aus. In der Suppenküche der Franziskaner in der Pankower Wollankstraße sitzen rund 50 Menschen, einige haben gerade ein paar Stullen und ein warmes Getränk zum Frühstück bekommen. Sie freuen sich auf einen neuen Haarschnitt oder eine Rasur. Denn die Barbers Angels sind angereist. Seit gut einem Jahr engagieren sich die Barbers Angels für Obdachlose und Bedürftige, die sich keinen Friseur leisten können, und schneiden ihnen kostenlos Haare und Bart. »Etwa 3500 Menschen haben wir im letzten Jahr kostenlos frisiert und rasiert«, sagt Initiator Claus Niedermaier, der einen Friseursalon im baden-württembergischen Biberach an der Riß betreibt. Über hundert Friseure hat er seitdem gewinnen können, sich für die gute Sache zu engagieren. »Mir ist wichtig, dass jeder mit dem, was er kann, Gutes tun kann. Wir können Haare schneiden, also bieten wir das an.«
Daniela Flohr (28) ist auf eigene Kosten aus Crailsheim bei Ansbach angereist. Sie trägt eine schwarze Lederkutte mit der Aufschrift »First Apostel Hope«, ihre rotbraunen Haa- re hat sie hochgesteckt. Den Künstlernamen Hope hat sie sich selber ausgesucht. »Ja, ich hoffe auf eine bessere Welt. Und da helfe ich ein wenig mit«. Daniela Flohr gehört zu den Gründungsmitgliedern der Barbers Angels. »Ich wollte schon immer helfen und was zurückgeben«, beschreibt sie ihre damalige Motivation. Im letzten Jahr hat sie an rund 20 Einsätzen quer durch die Republik teilgenommen. Sie verbindet damit eine klare Hoffnung: »Das Äußerliche spielt in unserer Gesellschaft eine große Rolle. Ich wünsche mir, dass die Menschen, die ich frisiere, sich selbst wieder etwas mehr lieben und dadurch vielleicht neu motiviert sind.«
Zehn Friseure der Angels arbeiten in dem kleinen Raum im Kloster. Wer eine Wartemarke bekommen hat, kann reinkommen und auf einem der zehn Stühle Platz nehmen. Daniela Flohr begrüßt Udo, der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will, freundlich mit Handschlag, erkundigt sich nach seinen Frisurwünschen. »Einfach nur kürzer«, sagt er und scherzt: »Wir haben auch einen Udo in Berlin, der ist auch Friseur.« Daniela Flohr weiß natürlich sofort, dass von Udo Walz die Rede ist. Udo hat früher einmal bei Audi gearbeitet, erzählt er, bei Siemens habe er gelernt, aber seit einiger Zeit kriege er sein Leben nicht mehr so auf die Reihe, wie er gerne möchte. Er kommt regelmäßig ins Franziskanerkloster in die Suppenküche.
Die Barbers Angels agieren als Bruderschaft mit Kutten und eigenen Na- men für Mitglieder. Claus Niedermaier erzählt aber, dass er gar nichts mit Bikern oder Rockern zu tun habe. Ihm war etwas anderes wichtig bei der Auswahl der Kleidung. »Ich wollte die Distanz zwischen uns und den Menschen, die zum Teil auf der Straße leben müssen und sich nicht in einen regulären Friseursalon reintrauen, abbauen. Darum die Kutte. So stellen wir Nähe her«. Außerdem fällt die Gruppe in diesem Outfit auf, und auch das ist Niedermaier wichtig. »Tue Gutes und rede darüber ist mein Motto. Ich möchte auch andere Berufsgruppen motivieren, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Gutes zu tun.«
Udo ist inzwischen fertig frisiert und sieht zufrieden aus. »Ja, das war Klasse«, sagt er und lächelt. Bei Freddy, einen Stuhl weiter, der zwei Friseursalons in Kassel betreibt und im wirklichen Leben Serdal Aslar heißt, hat in der Zwischenzeit Sigrid Asse Platz genommen. Auch sie komme regelmäßig in die Suppenküche im Kloster, berichtet sie, da habe sie auch mitbekommen, dass heute die Friseure kommen. »Wissen Sie, hier kriege ich zu essen, kann mit Leuten reden und habe ein wenig Abwechslung, darum komme ich her«. Es sei nicht die pure Not betont sie. Aslar begrüßt sie mit Handschlag und schlägt ihr einen »Bobhaarschnitt mit schön freiem Nacken« vor. Sigrid Asse nickt.
»Ich möchte die Welt schöner gestalten«, erklärt Aslar, »Wissen Sie, wie warm sich eine ehrliche feste Umarmung anfühlen kann? Das ist meine Motivation«.