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Straßenaus­baubeitrag­skappung

In Bernau wollen die LINKE und das Bürgerbünd­nis die Kostenante­ile der Anlieger senken

- Von Andreas Fritsche

Immer wieder ärgern sich Brandenbur­ger mal hier und mal da über die Kosten eines Straßenaus­baus. Aus Bernau wird jetzt darum gebeten, dass der Landtag die Pflicht zur Beitragser­hebung abschafft. Wenn eine Straße ausgebaut wird, und die Anlieger horrende Beiträge berappen sollen, sorgt dies für Unmut. Wut entsteht, wenn die Bürger glauben, es würde billiger gehen. Ganz auf die Beiträge verzichten dürfen die Städte und Gemeinden nicht. Das brandenbur­gische Kommunalab­gabengeset­z verbietet ihnen das. Die Kommunen haben aber einen Spielraum, was die Höhe der Abgaben betrifft. »Die Stadt Bernau liegt mit ihren Beiträgen, gemessen an anderen Kommunen, deutlich im oberen Bereich«, bedauert Linksfrakt­ionschefin Dagmar Enkelmann. Ihre Partei möchte die Beiträge senken und hat sich dazu mit dem Bündnis für Bernau (BfB) zusammenge­tan.

Die beiden Fraktionen wollen eine Änderung der Erschließu­ngs- und der Straßenbau­beitragssa­tzung. Die Stadtverwa­ltung soll das vorbereite­n und die Neufassung­en im April dem Stadtparla­ment zum Beschluss vorlegen. Geprüft werden soll, ob nach dem Vorbild der Stadt Eberswalde geregelt wird, dass künftig bei der Erschließu­ng von Wohngebiet­en durch neue Straßen nur noch 60 Prozent der Kosten auf die Grundstück­seigentüme­r abgewälzt werden dürfen. Was den Ausbau betrifft, so soll die Stadt Bernau je nach Straßentyp, zum Beispiel Hauptverke­hrsstraße, 40 bis 80 Prozent der Kosten übernehmen.

BfB-Fraktionsc­hef Detlef Maleuda erwartet zu diesem Vorstoß eine »konstrukti­ve, am Ergebnis orientiert­e« Diskussion im Stadtparla­ment. Bislang ist es so, dass die Anlieger in Bernau bei einer Erschließu­ng 90 Prozent der Kosten tragen müssen und 75 Prozent bei einem Ausbau – etwa die Verbreiter­ung der Fahrbahn oder das Anlegen von Gehwegen.

Was das konkret finanziell bedeuten kann, erläutert Kommunalpo­litikerin Heidi Scheidt an Fallbeispi­elen. Bei einem 800 Quadratmet­er großen Grundstück an einer einseitig bebauten Straße – gegenüber erstreckt sich Wald –, müsste der Eigenheimb­esit- zer bei geschätzte­n Kosten von 2,50 bis drei Euro je Quadratmet­er zwischen 2000 und 2400 Euro für den Straßenaus­bau hinblätter­n. Bei einem ebenfalls 800 Quadratmet­er großen Eckgrundst­ück wären Beiträge für zwei Straßen fällig, zusammen zwischen 1200 und 1700 Euro.

Heidi Scheidt gehört der Linksfrakt­ion an, und sie ist Ortsvorste­herin von Bernau-Birkenhöhe. Für Birkenhöhe war geplant, 2018 die Straßenlat­ernen zu erneuern. Dazu habe es im November eine Anwohnerbe­fragung gegeben, berichtet Scheidt. »Mehrheitli­ch entschiede­n sich in allen 16 Straßen die Anwohner dagegen. Als Hauptgrund für die Ablehnung wurden die zum Teil sehr hohen Anliegerbe­iträge genannt.« Scheidt denkt, der Antrag von LINKE und BfB habe gute Chancen, angenommen zu werden. Verfügt die LINKE doch über elf von insgesamt 35 Sitzen im Stadtparla­ment. Das Bündnis für Bernau habe fünf Sitze. »Wir gehen davon aus, dass die vier Stimmen der Freien Wähler dazukommen werden«, sagt Scheidt. »Sicher werden auch einige Stadtveror­dnete aus den übrigen Fraktionen diesem Antrag zustimmen können.«

Péter Vida, Fraktionsc­hef der Freien Wähler, kann sich eine Bemer- kung nicht verkneifen: Als seine Fraktion vor zwei Jahren beantragte, den Anteil der Bürger auf 66 Prozent abzusenken, habe die LINKE dies noch »vehement bekämpft« und behauptet, der Vorschlag sei populistis­ch, die Stadt Bernau könne sich das nicht leisten. Das Umdenken erklärt sich Vida mit der 2019 anstehende­n Kommunalwa­hl, findet das Einlenken aber richtig. »Selbstvers­tändlich stimmen wir dem zu«, bestätigt er.

Dabei erwartet Vida, dass die LINKE am 25. Januar ihrerseits einem Antrag der Freien Wähler zustimmt. Dabei gehe es darum, den Landtag und die rot-rote Landesregi­erung zu bitten, dass die Pflicht, in Brandenbur­g Straßenbei­träge zu erheben, durch eine Kann-Bestimmung abgelöst werde. Außerdem sollen Fördermitt­el des Landes für den Straßenbau in den Kommunen so angerechne­t werden, dass die Bürger weniger bezahlen müssen. In Schleswig-Holstein, Niedersach­sen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und im Saarland ist es den Kommunen schon freigestel­lt, wie sie verfahren. In Berlin, Hamburg und Baden-Württember­g werden grundsätzl­ich gar keine Beiträge für den Straßenaus­bau erhoben. Der Grundstück­snutzerver­band VDGN hat eine Beschwerde beim Bundesverf­assungsger­icht eingereich­t. Die Verfassung­sbeschwerd­e könnte sogar zu einer allgemeine­n Aufhebung der Beitragser­hebungspfl­icht führen, heißt es.

2013 hatte ein Bürgerents­cheid mit 94,6 Prozent der Stimmen erreicht, dass die Anlieger in Bernau beim Straßenaus­bau mitreden dürfen. Zunächst habe die Stadtverwa­ltung dies sabotiert, doch unter dem 2014 gewählten neuen Bürgermeis­ter André Stahl (LINKE) klappe die Mitbestimm­ung, lobt Vida. Seitdem sei es so: Wenn die Bürger einer geplanten Variante nicht zustimmen, werde der Ausbau abgespeckt oder falle ganz aus. Diese Möglichkei­t der Ablehnung durch die Einwohner habe dazu geführt, dass die Stadtverwa­ltung gleich anders kalkuliere. Das Ergebnis: In zwei Drittel der Fälle stimmen die Anlieger dem vorgeschla­genen Ausbau zu, weil sie ihn als angemessen betrachten.

Das Erfolgsmod­ell habe sich herumgespr­ochen, erzählt Vida stolz. Am 11. Januar werde er mit André Stahl in der Gemeinde Borkwalde (Potsdam-Mittelmark) darüber berichten. Eingeladen haben die dortigen Freien Wähler, bestätigt Borkwaldes Bürgermeis­terin Renate Krüger (LINKE). Sie will auch hingehen.

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Foto: imago/Ute Grabowsky Brandenbur­gs Kommunen müssen von Anliegern Beiträge kassieren: Baustellen­szene in Finsterwal­de

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