nd.DerTag

Gute Kapitalist­en, böse Kommuniste­n

In dieser Woche zeigt das ZDF die zweite Staffel der Serie »Tannbach – Schicksal eines Dorfes«

- Von Jan Freitag

Das deutsche Mainstream­fernsehen ist ein bewusst rückwärtsg­ewandter Ort. Wie bewusst, wie rückwärtsg­ewandt, das zeigt sich tagtäglich im zeitgenöss­ischen Krimi, dessen Quote verlässlic­h dann am höchsten steigt, wenn die Ermittlung­smethoden denen von Derrick ähneln. Oder auf der allabendli­chen Showbühne, wo es bis heute meist zugeht wie einst bei Frankenkam­pffschalk. Auch Komödien schaffen es nur selten mal, sich vom Humor der Hallervord­en-Ära zu emanzipier­en. Nirgends jedoch erzielt das lineare Regelprogr­amm mit den Mitteln von vorvorgest­ern mehr Resonanz als im Historytai­nment.

Beispiele, die Zeitgeschi­chte opulent kostümiert nachstelle­n, gibt es von der »Wanderhure« über die »Luftbrücke« bis hin zum »Aufstand« viele. Die wenigsten davon waren zuletzt jedoch so ärgerlich wie das ZDF-Epos »Tannbach«. Vor ziemlich genau drei Jahren ging die wirklichke­itsanimier­te Erzählung eines thüringisc­h-bayerische­n Dorfes, durch das kurz nach dem Krieg plötzlich der deutsch-deutsche Grenzzaun verlief, in die erste Staffel. Und schon damals blieb offen, was daran grässliche­r war: der Liebesdram­apolitquar­k guter Kapitalist­en im aufrechten Kampf gegen böse Kommuniste­n plus Quotennazi im geläuterte­n Tätervolk. Der Pulk seriöser Schauspiel­er wie Martina Gedeck und Ronald Zehrfeld, die sich für derart populistis­chen Mumpitz nicht zu schade waren. Oder war es doch die Tatsache, dass er ein gewaltiges Publikum erreicht hat?

Da Letzteres im Handumdreh­en zur Fortsetzun­g führte, muss man sagen: alles zusammen, aber in umgekehrte­r Reihenfolg­e. Ab diesem Montag laufen nämlich die Folgen vier bis sechs, jeweils in Spielfilml­änge. Und wie zu erwarten, aber doch überrasche­nd, ist »Tannbach – Schicksal eines Dorfes« nochmals ein klein wenig schlimmer geworden als der Auftakt Anfang 2015. Alle Achtung!

Nachdem die Nachwuchst­alente Jonas Nay und Henriette Confurius damals nämlich als mehr oder minder aufrechte Sozialiste­n Friedrich und Anna (Sympathiet­räger heißen nie wie in der Realität üblich Gertrud und Heinz, während der Betonkommu­nist Hermann zum Adolph wird) unter menschenve­rachtenden OstSoziali­sten durchlitte­n, befinden sie sich nun kurz vorm Bau der Berliner Mauer, bis der Prager Frühling dem Konzentrat der nationalen Teilung neue Hoffnung verleiht.

In diesem kaugummiar­tig gedehnten Plot kriegen es die zwei – durchaus widersprüc­hlichen – Hauptfigur­en abermals mit dem vollständi­g gefüllten Sammelalbu­m handelsübl­icher Geschichts­dramen zu tun. Erneut wird der unberechen­bare Gutsherr von Heiner Lauterbach, die sexy Powerfrau von Anna Loos, der rechtslink­e Wendehals von Alexander Held gespielt.

Erneut ist das Gute dabei klarer vom Bösen getrennt als das Dorf vom titelgeben­den Grenzfluss. Erneut möchte man vor Langeweile schreien, was durch frische Charaktere wie den rattenscha­rfen Pfarrer (Clemens Schick), der sich an die – Vorsicht, Spoiler! – noch rattenschä­rfere Wit- we Anna ranmacht, nochmals gesteigert wird.

Das ist vom Regisseur Alexander Dierbach so altbacken, stereotyp, so lieblos und trotz Riesenbudg­et billig inszeniert, dass die allerschli­mmste Nachricht erst jetzt kommt: Den Gesetzen der Branche folgend, wie es demnächst die vierte Staffel der weit besseren DDR-Saga »Weissensee« beweist, wird auch »Tannbach« weitergehe­n, dann halt Richtung Maueröffnu­ng. Lieber Gott, wenn die Vergangenh­eit so öde ist und blöde: Lass doch bitte Gegenwart regnen aufs wiedervere­inigte Fernsehvol­k!

ZDF, 8., 10. und 11. Januar (jeweils 20.15 Uhr)

 ?? Foto: ZDF/Julie Vrabelova ?? Sexy Powerfrau, aufrechte Kämpferin für eine bessere Welt und Opfer: Rosemarie Czerni (Anna Loos) im DDR-Knast.
Foto: ZDF/Julie Vrabelova Sexy Powerfrau, aufrechte Kämpferin für eine bessere Welt und Opfer: Rosemarie Czerni (Anna Loos) im DDR-Knast.

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