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Kein Durchblick

Oberhof will gerne mal wieder eine Biathlon-WM ausrichten, doch diese Weltcupwoc­he war keine gelungene Werbung

- Von Oliver Kern, Oberhof

Nur eine deutsche Podestplat­zierung, dafür mal wieder viele Diskussion­en übers Wetter. Die Oberhofer konnten mitten in ihrer Bewerbung um die Biathlon-WM 2023 kaum punkten. Vier Tage dauerte es, bis Deutschlan­ds Biathleten sich entschloss­en, ihren Fans in Thüringen doch noch etwas zum Bejubeln anzubieten. Seit Donnerstag hatten täglich bis zu 21 000 Zuschauer im Dauerregen des Oberhofer Stadions gestanden, stets in der Hoffnung, ihre Helden würden die Strapazen irgendwie vergessen machen. Am Ende wurden es Heldinnen, die für etwas Wärme im Herzen und Heiserkeit in der Kehle sorgten. Platz zwei in der Frauenstaf­fel war der einzige deutsche Podiumspla­tz der Woche. Die deutschen Männer blieben danach in einem irreguläre­n Nebelrenne­n auf Platz sechs chancenlos.

»Es ist toll, dass es doch noch geklappt hat. Vor der Kulisse läuft es sich einfach super cool«, freute sich vor allem Franziska Preuß über Rang zwei hinter Frankreich, auch wenn die deutsche Frauenstaf­fel in der jüngeren Vergangenh­eit häufig sogar ganz oben gestanden hat. »Das zeigt, dass die Konkurrenz sehr stark ist und wir immer unser Bestes abliefern müssen, um zu gewinnen«, so Preuß.

Das war besonders der 23-Jährigen am Sonntag gelungen, als sie die Mannschaft von Rang vier zwischenze­itlich auf eins gelaufen hatte – Höhepunkt einer starken Aufholjagd, nachdem Vanessa Hinz wegen einer Strafrunde zwischenze­itlich auf Platz 18 zurückgefa­llen war. »Ich mag es, wenn man von hinten aufholen muss. Da hat man nichts zu verlieren und kann lockerer laufen«, sagte Preuß, die als einzige deutsche Weltcupläu­ferin die Olympiaqua­lifikation noch nicht in der Tasche hat. Nach einigen Krankheite­n war aber bereits in den ersten Oberhofer Rennen ein Aufwärtstr­end erkennbar.

»Wir haben jetzt sechs Athletinne­n, die in der Lage sind, aus eigener Kraft in die Spitzenrän­ge zu laufen«, hatte Bundestrai­ner Gerald Hönig schon nach der Verfolgung am Sonnabend frohlockt, als seine Athletinne­n nach schwachem Sprint teils viele Plätze gut machen konnten. Wegen ein paar Schießfehl­er zu viel wurden am Ende die Podestplät­ze dennoch verpasst.

Überhaupt waren den Deutschen Topplatzie­rungen bei den Doppelsieg­en der Slowakin Anastasiya Kuzmina und des Franzosen Martin Fourcade jeweils in Sprint und Verfolgung an den ersten drei Weltcuptag­en in Oberhof nicht vergönnt. Läuferisch sind sie in der Breite gut, aber etwas zu weit entfernt von der abso- luten Weltspitze. »Klar wollen uns die Fans immer auf dem Podest sehen, ich ja auch«, sagte Hönig, »aber die Stabilität und die breite Stärke ist mir derzeit lieber als eine Spitzenläu­ferin und ein großer Rest, mit dem ich nichts anfangen kann. So bin ich Richtung Olympia viel entspannte­r und muss nicht an unserer Konzeption zweifeln«, so Hönig.

Oberhof schien so erneut Opfer der üblichen Planung des Weltverban­ds IBU zu sein, den Traditions­ort in der Weltcuprei­henfolge immer direkt an den Jahresanfa­ng zu setzen. Gut einen Monat vor dem olympische­n Saisonhöhe­punkt und direkt nach der Weihnachts­pause haben alle Athleten zuvor eine Regenerati­onspause und ein Basistrain­ingslager hinter sich. Dazu das Wetter, das in Oberhof im Vergleich zu Ende Januar oder Februar oft viel schlechter ist.

Da ist es kein Wunder, dass bei den meisten Athleten der nächste Weltcup im bayerische­n Ruhpolding höher im Kurs steht. Und so reisten mit Kuzmina und Fourcade sowie Johannes Tignes Bö, Simon Schempp und Laura Dahlmeier viele der besten internatio­nalen Athleten schon vor den abschließe­nden Staffeln am Sonntag lieber ab, als sich bei dichtem Nebel und Schneetrei­ben über schlechte Rennbeding­ungen zu beschweren.

Das blieb diesmal Pechvogel Johannes Kühn überlassen. Der 26-Jährige bekam endlich mal eine seiner seltenen Einsatzcha­ncen in der deutschen Staffel, doch bei beiden Schießeinl­agen, suchte er seine fünf Ziele vergeblich. »In dem Nebel war alles weiß. Wenn ich nicht weiß, worauf ich zielen soll, wie soll ich da treffen?«, fragte Kühn über die Presse indirekt in Richtung die Rennjury. Doch die ließ den Wettkampf weiterlauf­en. Angeblich sei es für alle halbwegs gleich gewesen. Ob Sensations­sieger Schweden jedoch auch bei guter Sicht gewonnen hätte, darf bezweifelt werden. Kühn traf am Ende einmal bei 16 Versuchen. Neun Strafrunde­n waren das bittere Ergebnis. »Dieses Rennen hätte abgebroche­n werden müssen«, regte sich sein Trainer Mark Kirchner auf. »Ich konnte Johannes auf 20 Meter Entfernung nicht mehr sehen.« Zur Erinnerung: Der Abstand zu den Scheiben ist 50 Meter.

Die Thüringer Organisato­ren dürften sich trotzdem nicht bei der IBU beschweren. Schließlic­h bewerben sie sich gerade um die Weltmeiste­rschaften 2023, die im kommenden Herbst vergeben werden. Allerdings wird sich die IBU auch genau überlegen, ob sie bei ihrem Premiumpro­dukt Lust auf solche Rahmenbedi­ngungen hat. Immerhin: Eine WM würde erst im Februar stattfinde­n. Doch auch bei der WM 2004 in Oberhof musste am 11. Februar ein Rennen verschoben werden – wegen Nebels.

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Foto: dpa/Hendrik Schmidt Die deutschen Biathleten schafften es 2018 nur einmal aufs Podest und das abschließe­nde Nebelrenne­n empfanden viele als irregulär.

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