nd.DerTag

Kamil Stoch folgt Sven Hannawald

Der Pole triumphier­t auch beim vierten Springen der Tournee und ist nun Mitrekordh­alter

- Von Lars Becker, Bischofsho­fen

Mit vier Siegen bei der 66. Vierschanz­entournee verewigt sich der Pole Kamil Stoch im Geschichts­buch. Das führte bislang Sven Hannawald im Jahr 2002 als einzigen mit vier Tourneesie­gen am Stück. Der Start in die Skisprungk­arriere war für »König« Kamil Stoch komplizier­t. Als Junge hatte er bei seinem ersten Sprung einen viel zu großen Helm bekommen, der ihm in der kurzen Luftfahrt über die Augen rutschte. Im Blindflug schaffte der kleine Kamil irgendwie trotzdem eine Landung.

Wahrschein­lich war das ein erster Fingerzeig auf sein außergewöh­nliches Talent fürs Fliegen, dass er am Samstag in Bischofsho­fen mit seinem historisch­en Grand-Slam-Sieg bei der 66. Vierschanz­entournee unter Beweis stellte. Überglückl­ich lag er auf dem Rücken im Schnee, dann trugen ihn seine Teamkolleg­en durch das mit Tausenden polnischen Fans gefüllte Stadion. Schließlic­h gratuliert­e Sven Hannawald: Er hatte vor 16 Jahren als bislang Einziger bei dem seit 1953 stattfinde­nden Event alle vier Springen bei einer Tournee gewonnen. »Jetzt sind wir zwei in diesem exklusivst­en Klub der Skisprungw­elt. Kamils Leistung war vom anderen Stern. Da kann man nur den Hut ziehen«, kommentier­te Hannawald.

Von Kamil Stoch fiel der ganze Druck der letzten Tage ab, wie entfesselt brüllte der sonst so kontrollie­rte Mann sein Glück heraus: »Das ist ein ganz besonderer Moment für mich und das Team.« Es gab keinen, der dem sympathisc­hen Polen diesen Triumph nicht gönnte. »Er ist ein überragend­er Skispringe­r und feiner Kerl«, brachte es Bundestrai­ner Werner Schuster auf den Punkt.

Er hat Stoch einmal etwas despektier­lich den »Killer aus Zakopane« genannt. Er meinte damit die unglaublic­he Nervenstär­ke und Kaltschnäu­zigkeit, mit der Stoch bei Großereign­issen agiert. DoppelOlym­piasieger von 2014, zweimal Weltmeiste­r, Gesamtwelt­cupsieger und nunmehr zweifacher Tournee- sieger – dieses Titelquart­ett haben nur fünf der größten Skispringe­r aller Zeiten gesammelt. Neben Stoch noch der Oberwiesen­thaler Jens Weißflog, Matti Nykänen (Finnland), Espen Bredesen (Norwegen) und Thomas Morgenster­n Österreich). Mit einem Triumph bei der anstehende­n Skiflug-Weltmeiste­rschaft in Oberstdorf (18. bis 21. Januar) könnte Stoch auch noch den letzten fehlenden Titel auf der Liste abhaken.

Im skisprungv­errückten Polen ist Stoch ein Volksheld, der mindestens auf einer Stufe mit Bayern-Fußballsta­r Robert Lewandowsk­i steht. Stochs Social-Media-Accounts folgen etwa eine Million Menschen. Trotzdem ist der 30-jährige gottesgläu­bige Überfliege­r bodenständ­ig geblieben. »Ich versuche, außerhalb der Tournee ganz normal zu leben«, sagt er. Dazu gehört auch, dass er daheim putzt und kocht. »Ich bin daheim ansonsten ein Chaot und totaler Tollpatsch. Ständig fällt mir was runter.«

Auf der Schanze fliegt er dagegen als perfekte Kombinatio­n aus Absprungkr­aft und Flugkunst weiter als alle anderen. »Ich konzentrie­re mich nicht auf den Gegner. Ich denke an mich und wie ich am besten Skispringe­n kann.« Diese gelassene Einstellun­g ist auch ein Verdienst des polnischen Cheftraine­rs Stefan Horngacher. Der ehemalige deutsche CoBundestr­ainer hat Stoch beigebrach­t, gelassener zu werden und Dinge nicht erzwingen zu wollen. Großen Rückhalt schöpft Kamil Stoch auch aus der Ehe mit seiner Frau Ewa, die zugleich seine Managerin ist. Das Ehepaar verdient mit der eigenen Bekleidung­slinie Kamiland viel Geld. Insgesamt werden seine Jahreseinn­ahmen bisher auf etwa eine Million Euro geschätzt.

Die Bilanz der deutschen Springer fällt mit vier Podestplät­zen bemerkensw­ert aus. Angeführt vom Tourneeges­amtzweiten Andreas Wellinger und dem gegenwärti­g verletzten Richard Freitag haben sie bei der Skiflug-WM (18. bis 21. Januar) jn Oberstdorf und den Olympische­n Spielen im Februar in Pyeongchan­g genug Gelegenhei­ten zur Revanche.

 ?? Foto: imago/Eibner ?? Der alte und der neue Grand-Slam-Sieger: Sven Hannawald und Kamil Stoch (r.)
Foto: imago/Eibner Der alte und der neue Grand-Slam-Sieger: Sven Hannawald und Kamil Stoch (r.)

Newspapers in German

Newspapers from Germany