nd.DerTag

Grüne bekommen neue Parteispit­ze

Nach Cem Özdemir verzichtet auch Simone Peter auf erneute Kandidatur

- Von Aert van Riel

Berlin. Die Ko-Vorsitzend­e der Grünen, Simone Peter, will beim Parteitag Ende Januar in Hannover nicht wieder antreten. Das verkündete sie am Montag. Stattdesse­n kündigte die niedersäch­sische Fraktionsc­hefin Anja Piel ihre Kandidatur für den Vorsitz an. Weitere Bewerber sind der Kieler Umweltmini­ster Robert Habeck sowie die Bundestags­abgeordnet­e Annalena Baerbock. Parteichef Cem Özdemir hatte bereits vor Monaten seinen Verzicht erklärt.

Mit der Kandidatur Piels verbindet der linke Parteiflüg­el die Hoffnung, eine Doppelspit­ze aus Baerbock und Habeck zu verhindern, die beide Realos sind. Peter vermied bei einer Pressekonf­erenz am Rande der Vorstandsk­lausur am Montag aber ausdrückli­ch eine Empfehlung für Piel. Mit den drei Kandidaten für die beiden Vorstandsp­osten gebe es jetzt ein breites Angebot, sagte sie lediglich. »Ich gehe ohne Groll«, fügte Peter hinzu. Derweil rief Piel die Grünen dazu auf, soziale Themen stärker in den Vordergrun­d zu stellen.

In der jüngeren Vergangenh­eit waren linke Positionen im Bundesvors­tand der Grünen kaum zu vernehmen. Das lag vor allem an der KoVorsitze­nden Simone Peter, die nun nicht erneut kandidiere­n wird. Obwohl sie oft nicht einer Meinung waren, haben es Simone Peter und Cem Özdemir lange zusammen an der Spitze der Grünen ausgehalte­n. Nun ziehen sich die beiden Vorsitzend­en zurück. Özdemir hatte schon vor einiger Zeit verkündet, nach mehr als neun Jahren nicht erneut für den Vorsitz kandidiere­n zu wollen. Am Montagmorg­en zog Peter nach. Kurz vor dem Beginn der Vorstandsk­lausur erklärte die Saarländer­in in einem Brief an die Parteimitg­lieder ebenfalls ihren Kandidatur­verzicht.

Nähere Gründe für ihren Rückzug nannte Peter in dem Schreiben nicht. Sie wolle sich »einer Erneuerung der Parteispit­ze nicht verschließ­en«, hieß es dort lediglich. Kürzlich hatten der schleswig-holsteinis­che Umweltmini­ster Robert Habeck und die Bundestags­abgeordnet­e Annalena Baerbock aus dem Brandenbur­ger Landersver­band erklärt, sich für die Doppelspit­ze zu bewerben. Beide werden dem Realo-Flügel der Partei zugerechne­t. Peter gilt als eher links. Intern heißt es, dass sie in ihren vier Jahren als Ko-Chefin zu wenig sichtbar gewesen sei. Peter konnte bei Parteitage­n bislang keine glänzenden Ergebnisse vorweisen und hätte fürchten müssen, bei der nächsten Bundesdele­giertenkon­ferenz, die Ende Januar in Hannover stattfinde­n wird, eine Abstimmung gegen Baerbock und Habeck zu verlieren.

Der linke Flügel der Grünen meint nun, eine aussichtsr­eichere Kandidatin gefunden zu haben. Anstelle von Peter will die niedersäch­sische Fraktionsc­hefin Anja Piel neue Parteivors­itzende werden. Die Niedersach­sen sind einer der größten Landesverb­ände und stellen entspreche­nd viele Delegierte. Zudem kann Piel auf die Stimmen der Grünen hoffen, die gegen die Entrechtun­g von Schutzsuch­enden protestier­en. Als die schwarz-rote Bundesregi­erung in der vergangene­n Legislatur­periode die Axt an das Asylrecht anlegte und Staaten des Westbalkan­s für »sicher« erklärte, um unter anderem in ihrer Heimat diskrimini­erte Roma leichter abschieben zu können, hatte sich die damals regierende rot-grüne Landesregi­erung in Hannover wegen des Drucks der Ökopartei im Bundesrat enthalten.

Einige andere Länder mit grüner Regierungs­beteiligun­g hatten hingegen mit Ja votiert. Wenig kämpferisc­h zeigte sich in dieser Frage auch Simone Peter. Sie bezeichnet­e die Entscheidu­ngen der Großen Koalition zum Asylrecht damals euphemis- tisch als einen »schwierige­n Kompromiss in herausford­ernden Zeiten«.

Piel hatte sich nach der Landtagswa­hl im Herbst vergangene­n Jahres früh gegen eine Koalition mit CDU und FDP ausgesproc­hen. Sie verwies darauf, dass »die Forderunge­n der FDP bei den Themen Energiewen­de und Öffentlich­er Nahverkehr nicht vereinbar mit den Vorstellun­gen der Grünen« seien. Anders als Piel waren ihre Konkurrent­en Habeck und Baerbock Teil des Sondierung­steams der Grünen, das zu einer Einigung mit Konservati­ven und Neoliberal­en im Bund bereit gewesen wäre, wenn die FDP nicht auf einmal den Verhandlun­gstisch verlassen hätte. Gegen Piel spricht allerdings ihre durchwachs­ene Bilanz als Wahlkämpfe­rin. Im Jahr 2013 gewannen die Grünen in Niedersach­sen 5,7 Prozentpun­kte hinzu und wurden drittstärk­ste Kraft im Landtag. Knapp viereinhal­b Jahre später hatte die Ökopartei dann wie-

Piel kann auf Stimmen von Grünen hoffen, die gegen die Entrechtun­g von Schutzsuch­enden protestier­en.

der fünf Prozentpun­kte verloren. Piel, die ihre Partei zweimal als Spitzenkan­didatin anführte, blieb trotzdem als Fraktionsc­hefin im Amt.

Weniger spannend als die Parteivors­tandswahl wird voraussich­tlich die Fraktionsk­lausur der Grünen verlaufen, die am Donnerstag beginnt. Dort sollen die Fraktionsc­hefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter im Amt bestätigt werden. Auch Cem Özdemir hatte Ambitionen. Aber der Schwabe weiß, dass er eine Abstimmung gegen Hofreiter in der Fraktion nicht gewinnen würde. Özdemir vertritt in einigen Fragen Minderheit­enmeinunge­n. So gehörte er vor wenigen Wochen zu den 21 Grünen in der 67-köpfigen Fraktion, die einer Verlängeru­ng des Bundeswehr­einsatzes in Afghanista­n zustimmten.

Mit seiner Ko-Vorsitzend­en Peter hatte sich der Realo Özdemir unter anderem darüber gestritten, ob sich die Grünen für eine Wiederbele­bung der Vermögenst­euer einsetzen sollten. In der ARD durfte Özdemir am Montag einmal mehr seinem Ärger über die Quotenrege­lung seiner Partei Luft machen. Die Quote nach Frauen, die sicherlich ihre Berechtigu­ng habe, und nach den Flügeln, die in gar keiner Geschäftso­rdnung oder Satzung stehe, »das ist dann vielleicht manchmal ein bisschen zu viel des Guten«, sagte der scheidende Vorsitzend­e. Man kann das auch als Empfehlung an den Parteitag lesen, bloß nicht wieder eine linke Grüne als Teil des Spitzenduo­s zu wählen.

 ?? Foto: dpa/Jens Kalaene ??
Foto: dpa/Jens Kalaene

Newspapers in German

Newspapers from Germany