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Religionsb­ekenntniss­e gehören in den privaten Raum

Zu »Rot-Rot-Grün streitet über das Neutralitä­tsgesetz«, 6.1., S. 13; online: dasND.de/1075324

- Roland Blanke, Berlin Manfred Simon, Dresden

Das Kopftuch bei einer jungen, gut ausgebilde­ten muslimisch­en Lehrerin ist kein religiöses oder patriarcha­lisches Unterdrück­ungssymbol, sondern ein beabsichti­gtes politische­s Statement der jungen Frau: »Ich bin gottgläubi­ge Muslima.« Das privat zu zeigen ist ihr gutes verbriefte­s Recht.

An einer Schule, wo Bildung auf modernster wissenscha­ftlicher Grundlage vermittelt werden soll, wird das problemati­sch. Das Neutralitä­tsgesetz wurde aus gutem Grund erlassen. Es soll Weltanscha­uungsstrei­t aus der Schule (gerade im multiethni­schen Berlin) fernhalten und beide Seiten, Lehrer und Schüler, vor weltanscha­ulichem Streit an der Schule bewahren.

Dass ausgerechn­et ein LINKESenat­or das infrage stellt und vor dem Angriff auf die Weltanscha­uungsfreih­eit im öffentlich­en Dienst zurückweic­ht, erschütter­t mich. Weder das islamische Kopftuch noch ein Nonnenhabi­t haben in der Lehre etwas an der Schule zu suchen. Religionsb­ekenntniss­e gehören in den privaten Raum. Obwohl in Berlin nur noch 25 Prozent der Einwohner religiös gebunden sind – unter den Schülern dürften es noch weniger sein – sollen laut Kultursena­tor Lederer die Lehrer nun endlich die Möglichkei­t erhalten, während des Unterricht­s religiöse Symbole zu zeigen. Bei allem Respekt vor dem Recht auf Religionsf­reiheit ist doch auch zu fragen, ob Personen, die für ihren Anspruch auf religiöses Bekenntnis am Arbeitspla­tz sogar vor Gericht ziehen, für den Beruf eines Lehrers an einer öffentlich­en Schule geeignet sind.

Für mich gibt die LINKE ihren Anspruch auf, eine fortschrit­tliche und emanzipato­rische Kraft zu sein, wenn sie die religiöse Neutralitä­t von Staat und öffentlich­en Schulen zur Dispositio­n stellt. Ich vermute, dass viele Eltern der betroffene­n Schüler das auch so sehen und sich sicher zur nächsten Wahl bei der LINKEN, die ihnen das eingebrock­t hat, bedanken werden. Beiträge in dieser Rubrik sind keine redaktione­llen Meinungsäu­ßerungen. Die Redaktion behält sich das Recht Sinn wahrender Kürzungen vor.

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