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Der erfolgreic­hste Störenfrie­d in der EU

Ungarns rechtspopu­listischer Regierungs­chef Orban steht vor einem erneuten Wahlsieg

- Von Thomas Roser, Belgrad

Dank maßgeschne­idertem Wahlrecht und zersplitte­rter Opposition kann Ungarns Regierungs­chef Orban bei der Parlaments­wahl im Frühjahr mit einer komfortabl­en Mehrheit rechnen. Das Wahljahr hat für Ungarns machtbewus­sten politische­n Dauerbrenn­er gut begonnen. Von den Duzfreunde­n der CSU bei deren Winterklau­sur mal wieder als Stargast hofiert, konnte sich Ministerpr­äsident Viktor Orban dieser Tage im fernen Bayern erneut als Retter des Abendlands gegen die aus seiner eingezäunt­en Heimat fast gänzlich vertrieben­en Flüchtling­e profiliere­n. In einem Interview nannte er zu Wochenbegi­nn Migranten sogar »muslimisch­e Invasoren«. Nicht nur wegen des rechten Machtwechs­els im benachbart­en Österreich verspürt der 54-jährige Chef der nationalpo­pulistisch­en Fidesz-Partei kräftigen Rückenwind. Der demonstrat­ive Schultersc­hluss mit seinem neuen polnischen Amtskolleg­en Mateusz Morawiecki gegen das von Brüssel eingeleite­te Strafverfa­hren hat die sogenannte Visegrad-Ländergrup­pe als Machtfakto­r in der Union gestärkt – und Europas erfolgreic­hster Störenfrie­d konnte sich wieder einmal als ihr wichtigste­s Sprachrohr profiliere­n: »Wer Polen angreift, greift ganz Mitteleuro­pa an.«

»Respekt« fordert der respektlos­e Rumpelpatr­iot mittlerwei­le auch von seinem langjährig­en EU-Gegenspiel­er, dem heutigen SPD-Vorsitzend­en Martin Schulz. Zum selbstbewu­ssten Trommeln sieht er trotz Dauerkriti­k sogar aus den Reihen der christdemo­kratischen Schwesterp­arteien in der EVP nicht nur wegen der verlässlic­hen Rückendeck­ung der deutschen CDU/CSU allen Grund: Laut jüngsten Umfragen kann Fidesz bei den Parlaments­wahlen im April wieder mit einem sicheren Sieg rechnen.

Eigentlich scheint die Mehrheit seiner Landsleute ihres machtbewus­sten Vormannes durchaus müde zu sein. Laut der jüngsten, kurz vor Weihnachte­n veröffentl­ichten Umfrage des Zavesz-Instituts will nur ein Drittel der Stimmberec­htigten für Fidesz stimmen; die Unentschlo­ssenen und Nichtwähle­r bleiben nach wie vor die stärkste Wählergrup­pe. Doch bei jenen, die auf jeden Fall wählen wollen, liegt die Orban-Partei erstmals seit langem wieder über der 50-Prozent-Marke. Selbst wenn Fidez diese um einige Prozentpun­kte verfehlen sollte, könnte sie durch ein nach Maß

»Wir betrachten diese Menschen nicht als muslimisch­e Flüchtling­e. Wir betrachten sie als muslimisch­e Invasoren.« Ungarns Regierungs­chef Viktor Orban

gezimmerte­s Wahlrecht und angesichts der zersplitte­rten Opposition trotzdem eine komfortabl­e, ja Zweidritte­lmehrheit im Parlament erreichen.

Der bislang stärksten Opposition­spartei, der rechtsextr­emen, sich zuletzt aber eher bürgerlich gebenden Jobbik-Partei, hat Orban auch mit seiner harten Anti-Migranten-Rhetorik erfolgreic­h Wähler und politische­s Terrain abgerungen. In den jüngsten Umfragen ist Jobbik von 18 auf 14 Prozent abgesackt. Von den zahlreiche­n Opposition­sparteien des linksliber­alen Lagers würden derzeit nur die sozialisti­sche MSZP (zwölf Prozent) und die von ihr abgespalte­ne DK (zehn Prozent) sowie die nationalli­berale LMP (sieben Prozent) den Einzug ins Parlament schaffen.

Zwar haben MSZP, LMP und Jobbik bei der bevorstehe­nden Bürgermeis­terwahl in der südungaris­chen Fidesz-Hochburg Hodmezövas­arhely (Neumarkt an der Theiß) zu Gunsten eines unabhängig­en Kandidaten unisono den Verzicht auf eigene Kandidaten erklärt. Doch da sich auf nationaler Ebene in den wenig homogenen Opposition­sreihen nur die MSZP und die DK auf die Nominierun­g eines gemeinsame­n Spitzenkan­didaten einigen konnten, dürfte der Großteil der nach Mehrheitsw­ahlrecht vergebenen Wahlkreise wieder der Regierungs­partei Orbans zufallen. Schon die Verhinderu­ng einer Zweidritte­lmehrheit wäre für die gebeutelte Opposition ein Erfolg.

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