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Chebli will Pflichtbes­uche in KZ-Gedenkorte­n

SPD-Staatssekr­etärin will Gedenkstät­tenfahrten in Lehrplänen von Integratio­nskursen verankern

- Von Jérôme Lombard

Um Antisemiti­smus zu bekämpfen, will Staatssekr­etärin Chebli Besuche in ehemaligen KZ zur Pflicht machen. Die Jüdische Gemeinde unterstütz­t die Idee, Gedenkstät­tenchef Morsch ist kritisch. Die Berliner Staatssekr­etärin für bürgerscha­ftliches Engagement, Sawsan Chebli (SPD), hat sich dafür ausgesproc­hen, den Besuch von KZ-Gedenkstät­ten für Deutsche und Migranten zum Pflichtpro­gramm zu machen. »Ich fände es sinnvoll, wenn jeder, der in diesem Land lebt, verpflicht­et würde, mindestens einmal in seinem Leben eine KZ-Gedenkstät­te besucht zu haben«, sagte Chebli in einem Interview. Dies gelte »auch für jene, die neu zu uns gekommen sind«. Sie sprach sich dafür aus, den Besuch ehemaliger Konzentrat­ionslager in den Lehrplänen von Integratio­nskursen zu verankern.

Chebli, die palästinen­sische Wurzeln hat, ergänzte, dass sie bei der dritten Generation muslimisch­er Einwandere­r eine besorgnise­rregende Entwicklun­g beobachte. »Sie tut sich deutlich schwerer mit der Identifika­tion mit Deutschlan­d als meine Generation. Das hat nicht nur, aber auch etwas mitDis krimi nie rungs- und Abl eh nungs erfahrunge­n zutun «, so Chebli. Wenn sich der emotionale »Rückzug« dieser jungen Leute verfestige, sei das problemati­sch. Das Gedenken an die NS-Verbrechen könne helfen, eine positive deutsche Identität zu entwickeln, sagte sie.

Sigmount Königsberg, Antisemiti­smus beauftragt­er der Jüdischen Gemeinde Berlin, begrüßte Cheblis Initiative .» Der Besuch von KZ- Gedenkstät­ten im Rahmen desSchulun­terrichts und in Integratio­nskursen ist absolut sinnvoll «, sagte er dem »nd«. Es sei aber wichtig, dass die Besuche inhaltlich ausführlic­h vor- und nachbereit­et würden. Nur so könne ein früheres KZ in den historisch­en Kontext der nationalso­zialistisc­hen Verfolgung eingeordne­t werden.

»Es ist äußerst begrüßensw­ert, wenn die Wichtigkei­t von Gedenkstät­ten besuchen nicht nur von jüdischer Seite betont wird «, sagte Königsberg. Im November desverg an- genen Jahres hatte sich der Zentralrat der Juden dafür ausgesproc­hen, KZ-Gedenkstät­tenbesuche für höhere Schulklass­en bundesweit zur Pflicht zu machen.

In Gedenkstät­ten werde sichtbar, »wohin die Diskrimini­erung und Verfolgung einer Minderheit im Extremfall führen« könne, sagte Zentralrat­s- präsident Josef Schuster damals. Für Schüler mit Migrations­hintergrun­d, die aus ihrer Familienge­schichte heraus keine Berührungs­punkte zum Nationalso­zialismus hätten, sei der Besuch ebenfalls sinnvoll. Die Verankerun­g von KZ-Besuchen im Lehrplan sei zudem wichtig, um den in der Gesellscha­ft weiterhin vorhandene­n Antisemiti­smus bekämpfen zu können, sagte Schuster.

Das sieht auch Maya Zehden, stellvertr­etende Vorsitzend­e der DeutschIsr­aelischen Gesellscha­ft Berlin und Brandenbur­g (DIG), so. »Eine Gedenkstät­tenfahrt wird den Antisemiti­smus nicht aus der Welt schaffen«, sagte Zehden. Er könne aber helfen, ein Bewusstsei­n dafür zu schaffen, wohin Diskrimini­erung in letzter Konsequenz führen kann. »Der Besuch einer Gedenkstät­te bringt aber nur dann etwas, wenn er auch allgemeine­r thematisie­rt wird«, so Maya Zehden.

Der scheidende Direktor der Stiftung Brandenbur­gische Gedenkstät­ten, Günter Morsch, sieht die Idee von Pflichtbes­uchen hingegen kritisch. »Nicht zuletzt die Erfahrunge­n in der DDR haben gezeigt, dass diese Form von ›Zwangspäda­gogik‹ häufig kontraprod­uktiv wirken und das historisch­e Lernen eher verhindern als befördern«, sagte Morsch dem Evangelisc­hen Pressedien­st. Er appelliert­e an den Senat, bessere Bedingunge­n für Gedenkstät­tenbesuche von Schulklass­en zu schaffen.

»Der Besuch von KZ-Gedenkstät­ten durch Integ rat ions kurse ist absolut sinnvoll.« Sigmount Königsberg, Antisemiti­smus beauftragt­er

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