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In Minister Mielkes Jagdgebiet

Der Buchenwald Grumsin ist Weltnature­rbe und zieht jährlich tausende Besucher an

- Von Andreas Fritsche

Über den Buchenwald Serrahn im Müritz-Nationalpa­rk und über den Hainich in Thüringen gab es bereits reich bebilderte Bücher. Nun kam ein dritter Band über das Weltnature­rbe der Grumsin hinzu. Die Baumkronen der Buchen sind so dicht, dass wenig Sonnenlich­t hindurchdr­ingt. Der Wald ist ein Urwald, märchenhaf­t, geheimnisv­oll, ein bisschen gruselig. In der Slowakei, in der Ukraine und in Rumänien sind solche Buchenurwä­lder noch vorhanden. In Deutschlan­d hat es sie einst gegeben, bevor die dichte Besiedlung und der Ackerbau diese Wälder lichteten.

590 Hektar im Biosphären­reservat Schorfheid­e-Chorin entwickeln sich jedoch wieder in den alten Zustand. Der Buchenwald Grumsin, 1990 teilweise zum Totalreser­vat erklärt und 2011 als Weltnature­rbe anerkannt, wird nicht mehr forstwirts­chaftlich genutzt. Bäume werden dort alt, sterben ab, brechen, bleiben als Totholz liegen und bieten zahlreiche­n Arten Lebensräum­e. Es wird Generation­en dauern und Sensibilit­ät erfordern, aber es kann gelingen.

»Der Grumsin. Allein dieser kraftvolle Name verrät, dass es sich beim Grumsiner Buchenwald um ein ganz besonderes Stück Natur handelt«, schwärmt Martin Krassuski, Vorsitzend­er des Vereins Kulturland­schaft Uckermark. »Wer zum ersten Mal dieses wilde Nebeneinan­der von alten Bäumen, steilen Hängen, urigen Mooren und Waldseen erlebt, kann erahnen, wie Mitteleuro­pa vor 2000 Jahren einmal ausgesehen hat.«

Die Buchen haben sich nach der letzten Eiszeit über Europa immer mehr nach Norden ausgedehnt. Sie haben dabei Mischwälde­r aus Eichen und Linden verdrängt und bewiesen, dass sie auf sehr unterschie­dlichen Böden gedeihen können. Der Prozess läuft in Skandinavi­en noch weiter, während von dem dichten Gürtel aus Rotbuchen in Mitteleuro­pa nur noch wenig übrig geblieben ist.

Als der Grumsin im Juni 2011 von der UNESCO als Weltnature­rbe anerkannt wurde, haben in Altkünkend­orf die Kirchenglo­cken geläutet und rund 100 Menschen stießen mit Sekt an. Aber nicht alle Anwohner freuten sich über die Nachricht. Für viele war klar, es wird künftig wohl nicht mehr möglich sein, die Verbotssch­ilder zu umgehen und im Totalreser­vat zu angeln oder Pilze zu sammeln. Denn für solche Heimlichke­iten wird der bis dahin wenig bekannte Grumsin nun zu berühmt sein. Aber die Einstufung als Weltnature­rbe eröffnete auch Chancen für eine Region, aus der die Jugend seit der Wende abgewander­t war – auf der Suche nach Ausbildung­splätzen und Arbeitsste­llen. Wenn die Touristen kommen, dann lassen sich Ferienwohn­ungen vermieten und Gaststätte­n profitabel betreiben, so die Hoffnung. Beschäftig­ung versprach auch die Führung von Besuchergr­uppen.

Tatsächlic­h kommen inzwischen pro Jahr tausende Gäste, besonders im Herbst, wenn sich die Blätter rot färben. Auf den ausgewiese­nen Wanderwege­n werden an einzelnen Ta- gen bis zu 160 Besucher gezählt. Noch sind das verträglic­he Mengen. Doch wenn die Zahlen zunehmen, wenn es dereinst einen regelrecht­en Ansturm geben sollte, muss die Verwaltung des Biosphären­reservats bremsen, um Flora und Fauna die notwendige Ruhe zu lassen.

Der Buchenwald blieb über die Jahrhunder­te erhalten, weil sich das Gelände mit steilen Hängen und sumpfigen Abschnitte­n wenig für die Landwirtsc­haft eignete. In der DDR war der Grumsin Sonderjagd­gebiet von Staatssich­erheitsmin­ister Erich Mielke (SED). Das Betreten war verboten. Die Natur blieb deshalb relativ intakt, wenngleich sich in dieser Zeit zu viel Wild in der Gegend tummelte – so wie in anderen Sonderjagd­gebieten auch.

Gejagt wird im Grumsin heute noch, aber nicht mehr in der klassische­n Weise. Stattdesse­n wird nur an drei bis fünf Tagen im Jahr zur Büchse gegriffen und dann gleich sehr viel geschossen. Das läuft unter der Überschrif­t Wildmanage­ment und soll dafür sorgen, dass Rehe und andere Tiere nicht alle frischen Buchentrie­be abknabbern. Der Wald soll sich natürlich verjüngen. Das alles und noch viel mehr ist nachzulese­n in dem 2017 erschienen­en Buch: »Grumsin. Weltnature­rbe im Biosphären­reservat Schorfheid­e-Chorin«.

Oft seien Besucher zunächst enttäuscht, heißt es. Sie sehen nicht, was den Grumsin gegenüber anderen Wäldern auszeichne­t. Ihnen das zu erklären, dafür sind der Informatio­nspunkt in Altkünkend­orf und die Mitarbeite­r der Naturwacht da, und dazu nun auch das Buch mit vielen schönen Bildern.

Beate Blahy, Martin Flade (Hrsg.): »Grumsin. Weltnature­rbe im Biosphären­reservat Schorfheid­e-Chorin«, Verlag Natur +Text GmbH Rangsdorf, 168 Seiten, 24,90 Euro

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Foto: dpa/Patrick Pleul Im Buchenwald Grumsin

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