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Ein Feiertag sorgt für Ärger

Niedersach­sens Regierungs­chef Weil will den Reformatio­nstag im Land aufwerten

- Von Hagen Jung

Ein neuer alljährlic­her Feiertag für Niedersach­sen? Wer könnte etwas dagegen haben? Doch es soll der Reformatio­nstag sein – die jüdischen Gemeinden protestier­en, die katholisch­e Kirche sperrt sich. Er war ein Wahlbonbon des niedersäch­sischen Regierungs­chefs Stefan Weil (SPD): der seit geraumer Zeit diskutiert­e zusätzlich­e gesetzlich­e Feiertag im Kalender des zweitgrößt­en Bundesland­es. Doch nun ist dieser Bonbon sowohl den jüdischen Gemeinden als auch der katholisch­en Kirche im Halse stecken geblieben, als sie erfuhren: Stefan Weil favorisier­t zum Einlösen seines Wahlverspr­echens den Reformatio­nstag, den 31. Oktober.

Im vergangene­n Jahr war der Tag bundesweit­er Feiertag anlässlich der 500. Wiederkehr des Datums, an dem Martin Luther seine 95 Thesen wider Papst und Ablass an die Tür der Schlosskir­che zu Wittenberg genagelt haben soll. Dieses Ereignis soll in Niedersach­sen nun alljährlic­h mit einem schul- und arbeitsfre­ien Tag gefeiert werden, so wie es auch in den östlichen Bundesländ­ern – außer Berlin – üblich ist.

Ministerpr­äsident Weil und Wirtschaft­sminister Bernd Althusmann (CDU) sind sich in diesem Ziel einig. Wohlgefall­en findet der Vorschlag auch beim evangelisc­hen Landesbisc­hof Ralf Meister. Stephan Weil sinniert: »Zusammenar­beit der Religio- nen« könne das Motto des künftigen Reformatio­nstages sein.

Doch statt Zustimmung zu dieser Idee zu ernten, schlägt dem Ministerpr­äsidenten jetzt heftige Kritik entgegen, am schärfsten vom Landesverb­and der jüdischen Gemeinden in Niedersach­sen. Dessen Präsident, Michael Fürst, gibt in einem geharnisch­ten Brief an die Abgeordnet­en des Landtages zu bedenken: »Luther ist die Reformatio­n, und der Reformatio­nstag ist ein Luthertag.« Luther aber sei auch ein Judenhasse­r.

Fürst erinnert an dessen 1543 verfasste Schrift »Von den Juden und ihren Lügen«. Luther habe Juden mit Hass verfolgt, sie mit unflätigen Beschimpfu­ngen bedacht und »blutrünsti­ge Vernichtun­gsphantasi­en« geäußert. Immer wieder habe sich der Re- formator bei der protestant­ischen Obrigkeit für die Vertreibun­g von Juden eingesetzt. Die Lektüre der von Fürst erwähnten Schrift belegt die Vorwürfe. Luther fordert darin, dass jüdische Häuser, Synagogen und Schulen »mit Feuer angesteckt« werden, und »was nicht verbrennen will«, möge »mit Erde beschüttet« werden, »dass kein Mensch ein Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich«.

Im vergangene­n »Lutherjahr« gab es durchaus Veranstalt­ungen, in denen Luthers Antisemiti­smus diskutiert wurde. Nicht selten kam es dabei zur Relativier­ungen nach dem Motto: »Er war ein Kind seiner Zeit.« Und: Der Reformator habe eben in der Tradition des christlich­en Antijudais­mus gestanden. Oft sogar glich das LutherGede­nken 2017 der Beweihräuc­he- rung eines scheinbar Heiligen, eines Erlösers vom Papstjoch. Seine kuriose Ausformung fand solche Verehrung in Devotional­ien wie Luther-Nudeln, -Socken, -Keksen, -Lutschern und Ähnlichem.

Wenn auch ein jährlicher Reformatio­nstag nicht einen derartigen Luther-Hype bescheren würde wie 2017, so empfänden ihn die jüdischen Gemeinden doch »als eine Zumutung«, betont ihr Präsident. Er bittet Landtag und Regierung, »über einen anderen Tag nachzudenk­en«.

Dieser Wunsch wird auch aus der katholisch­en Kirche laut. Hatten ihre Repräsenta­nten im Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s bei fast jeder Gelegenhei­t des Zusammentr­effens den »guten Geist der Ökumene« beschworen, so wehren auch sie sich nun gegen den Einzug des Reformatio­nstages in den Feiertagsk­alender der Niedersach­sen. Der Leiter des katholisch­en Büros in Niedersach­sen, Prälat Felix Bernard, mahnt: Der Reformatio­nstag stehe trotz Ökumene für eine Trennungsg­eschichte. Eine solche zu feiern, ist aus katholisch­er Sicht verfehlt.

Die opposition­ellen Grünen im Landtag plädieren für einen zusätzlich­en Feiertag ohne jeden religiösen Bezug. Es müsse ein säkularer Tag sein, »um den sich alle versammeln können«, meint Fraktionsv­orsitzende Anja Piel. Und die FDP, ebenfalls in der Opposition, will gar keinen weiteren Feiertag – und steht damit, wie gewohnt, ganz auf der Seite der Wirtschaft.

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Foto: dpa/Steffen Peter Ministerpr­äsident Weil (M.) beim Epiphanias-Empfang der Evangelisc­h-lutherisch­en Landeskirc­he am vergangene­n Sonnabend

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