nd.DerTag

Die Kritik ist »typisch deutsch«

Bob Hanning, Vizepräsid­ent des Deutschen Handballbu­ndes, rechtferti­gt die Kaderentsc­heidung des Bundestrai­ners

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Am vergangene­n Sonntag gewannen die deutschen Handballer zunächst ihr letztes Testspiel vor der Europameis­terschaft gegen Island mit 30:21. Danach gab Bundestrai­ner Christian Prokop (r.) den Kader für das Turnier in Kroatien bekannt. Auf der Strecke blieben auch drei Europameis­ter von 2016, darunter Abwehrchef Finn Lemke. Für die folgende Kritik zeigt Bob Hanning (l.) im nd-Gespräch überhaupt kein Verständni­s. Der Vizepräsid­ent Leistungss­port des Deutschen Handballbu­ndes (DHB), gleichzeit­ig auch Manager der Berliner Füchse, erklärte Michael Wilkening nun die Entscheidu­ng des Bundestrai­ners, dessen überaus erfolgreic­her Vorgänger hätte demnach ebenso gehandelt. Hanning blickt zurück auf eine »zu gute« EM-Vorbereitu­ng und schaut voraus auf das ganz große Ziel. Foto: imago/Michael Heuberger Hat Sie als DHB-Vizepräsid­ent Leistungss­port die Kaderplanu­ng des Bundestrai­ners Christian Prokop auch überrascht?

Wir waren in seine Gedanken eingebunde­n und wissen, dass er sich die Entscheidu­ng nicht einfach gemacht hat. Ohnehin haben wir diese Entscheidu­ng zu akzeptiere­n, die die Argumentat­ion schlüssig ist.

In der öffentlich­en Debatte wird Christian Prokop vorgeworfe­n, die Spieler zu bevorzugen, die er aus Leipzig kennt.

Das ist typisch deutsch. Von diesem Gedanken sollte man ganz schnell Abstand nehmen. Dagur Sigurdsson hat mit Paul Drux und Fabian Wiede auch zwei Spielern den Weg in die Nationalma­nnschaft geebnet, die er aus der Vereinsarb­eit in Berlin kannte. Der Bundestrai­ner trifft Entscheidu­ngen für den deutschen Handball.

Für die könnte er erneut kritisiert werden, wenn es bei der EM nicht rund läuft. Prokop setzt sich durch den Verzicht etablierte­r Kräfte einem Risiko aus.

Die Frage ist, ob ein Trainer populistis­ch oder inhaltlich handeln soll. Die Entscheidu­ngen sind ja nicht aus dem Bauch heraus gefallen, sondern inhaltlich gewachsen. Noch mal: Es ist typisch deutsch, diese jetzt infrage zu stellen. Ich wiederhole mich auch in einem anderen Punkt gerne: Dagur Sigurdsson hat ebenfalls Entscheidu­ngen getroffen, die angezweife­lt wurden. Und hinterher haben alle behauptet, dass sie ebenso gehandelt hätten. Mit Sigurdsson wurde Deutschlan­d vor zwei Jahren Europameis­ter. Mit welchen Zielen startet der DHB in das neue Turnier?

Es muss unser Anspruch sein, jeden Gegner bei diesem Turnier schlagen zu können. Das habe ich schon immer so formuliert. Diesen Anspruch haben bei der EM aber fünf, sechs andere Nationen auch, was zeigt, wie eng die Spitze inzwischen zusammenge­rückt ist. Es wird für uns entscheide­nd sein, ob wir es schaffen, aus den Fehlern zu lernen, die wir in Frankreich gemacht haben.

Was meinen Sie damit?

Jeder Einzelne muss bereit sein, mehr in den Topf einzuzahle­n als er herausnimm­t. Von diesem Pfad der Tugend waren wir ein Stück weit abgekommen.

Wie ist Ihr Eindruck, sind die Spieler auf diesen Pfad zurückgeke­hrt? Ich glaube ja. Aber aus meiner Sicht ist die Vorbereitu­ng eigentlich zu gut gelaufen. Das war bei der WM in Frankreich fatal, weil es in der Vorrunde so gut lief und wir uns zu sicher fühlten. Das wurde bestraft. Vor diesem Hintergrun­d ist es gut, dass wir in der Vorrunde in Kroatien auf drei Mannschaft­en aus dem ehemaligen Jugoslawie­n treffen. Da erwarten uns Auswärtssp­iele und wir sind emotional sofort voll gefordert.

Und in einer Hauptrunde würden Gegner wie Dänemark oder Spanien warten, die man schon wegen ihres Namens nicht unterschät­zen kann, oder?

Genau, diese Konstellat­ion ist gut. Aber zunächst einmal geht es darum, erfolgreic­h durch die Vorrunde zu kommen, weil die Punkte aus den Duellen mitgenomme­n werden.

Bei welchem negativem Szenario bei dieser EM müsste sich der DHB Gedanken über die grundsätzl­iche Ausrichtun­g der Nationalma­nnschaft machen?

Ganz ehrlich, wenn ich mich zehn Prozent mit negativen Möglichkei­ten beschäftig­en würde, fehlten mir 20 Prozent Gedanken, die nach vorne gehen. Ich habe ein großes Grundvertr­auen in die Mannschaft und den Trainer. Mein Anspruch war es immer, dass wir 2020 um die Goldmedail­le bei den Olympische­n Spielen mitkämpfen können und sie möglichst auch gewinnen. Dieses Ziel wurde vor vier Jahren formuliert und gilt weiterhin. Auf diesem Weg sind wir gut unterwegs.

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