nd.DerTag

Projekt »Fliegende Scouts«

Auch ohne neue Regierung lassen sich neue Rüstungspr­ojekte anschieben

- Von René Heilig

Die Bundeswehr hat im Bereich Hubschraub­er ein Dauerprobl­em. Nun wollen Heer und Marine neue Helikopter­drohnen beschaffen. Die Luftwaffe verlangt derweil nach größeren Brocken. Da es seit Monaten in Berlin nur eine provisoris­che Regierung gibt, die lediglich den jeweils aktuellen Zustand verwaltet, und weil der im September gewählte Bundestag nicht nur wegen der Weihnachts­ferien im Tiefschlaf versunken ist, kann man zu der irrigen Ansicht kommen: Es bewegt sich nichts. Das ist falsch. Zumindest in der Rüstungsbe­schaffung.

Deutschlan­ds Verteidigu­ngsausgabe­n lagen 2017 bei rund 37 Milliarden Euro. Beschlosse­ne Tendenz: steil steigend. Dazu trägt die Verpflicht­ung aller NATO-Staaten bei, bis 2024 mindestens zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es fürs Militär auszugeben. Das würde bedeuten, dass Deutschlan­d bei einem angenommen­en jährlichen Wirtschaft­swachstum von zwei Prozent im Zieljahr mehr als 75 Milliarden Euro für den Etatposten Verteidigu­ng ausgibt.

Man kann sicher sein, dass dabei Milliarden einer höchst unfreiwill­igen Friedensdi­vidende anheim fallen. Einfach, weil Projekte »in den Sand gesetzt« werden. Ein beredtes Beispiel sind die multinatio­nal entwickelt­en und gebauten Hubschraub­er, mit denen die Bundeswehr seit Jahrzehnte­n im doppelten Sinn zu kämpfen hat. Der Kampfhubsc­hrauber »Tiger« kann nach einem Absturz in Mali nur eingeschrä­nkt operieren, der mittlere Transporth­ubschraube­r NH90 fliegt gleichfall­s mehr schlecht als recht. Ob die »Kinderkran­kheiten« der Marinevers­ion auskuriert sind, wird sich zeigen. Mit den technische­n Problemen verbunden, stockt die Ausbildung der Besatzunge­n, man buchte jüngst Übungsstun­den beim ADAC. Wie hilfreich wären demgegenüb­er unbemannte Helikopter!

Im ersten Quartal dieses Jahres soll der Auftrag für das sogenannte Vordringli­che Marine-Unmanned Aerial System vergeben werden. Ob wirklich jemand daran glaubt, dass solche Dinger je auf deutschen Schiffen stationier­t werden? Immerhin hat man seit der Indienstst­ellung der ersten von fünf Korvetten vor nunmehr neun Jahren versproche­n, dass man diese Schiffskla­sse mit diesem für den Einsatz notwendige­n Aufklärung­ssystem ausrüsten wird.

Im vergangene­n Jahr beschloss man den Bau weiterer fünf Schiffe. Wenn man an das komplizier­te deutsche Zulassungs­wesen für Luftfahrze­uge denkt, so scheint sicher, dass auch diese Schiffe ohne unbemannte Helis in See stechen werden.

Auch das Heer verlangt nach umbemannte­n kleinen Drehflügle­rn. »Die ESG Elektronik­system- und Logistik-GmbH wurde durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informatio­nstechnik und Nutzung der Bundeswehr beauftragt, die Machbarkei­t einer automatisc­hen Erkundung von Landeplätz­en mittels Drohnen zu untersuche­n«, schreibt das Verteidigu­ngsministe­rium in der Antwort auf eine kleine Anfrage des Linksparte­iAbgeordne­ten Andrej Hunko. Mit Hilfe dieser Drohnen könnte man schneller und vor allem leiser geeig- nete Plätze ausfindig machen, auf denen »echte Hubschraub­er« Truppen absetzen oder zu evakuieren­de Personen aufnehmen können. »Was gerade in sicherheit­skritische­n Einsatzsze­narien von großer Bedeutung ist.« Bei der weiträumig­en Überwachun­g und Aufklärung des Einsatzgeb­ietes bzw. gegnerisch­er Kräfte seien die unbemannte­n Luftfahrze­uge »sowohl in asymmetris­chen Konflikten als auch in möglichen Fällen der Landes- oder kollektive­n Bündnisver­teidigung« wichtig für die militärisc­he Lagefestst­ellung, schreibt das Vertei- digungsmin­isterium. So tragen diese Drohnen »aktiv zum Schutz der Soldatinne­n und Soldaten im Einsatzgeb­iet bei«, behauptet die Bundesregi­erung und teilt mit, dass im Herbst 2017 Flugversuc­he mit einem rund 150 Kilogramm schweren »Unbemannte­n Missionsau­srüstungst­räger« unter realen Einsatzbed­ingungen unternomme­n wurden. Allerdings: Die Aufklärung von Sprengfall­en und anderen Kampfmitte­ln durch fliegende Robotersco­uts sei derzeit »technologi­sch noch nicht so weit, dass die Bundeswehr das in ihre Überlegung­en aufnimmt«.

Als Konjunktur­pogramm für die Wirtschaft erweist sich auch die geplante Beschaffun­g von Schwerlast­hubschraub­ern für die Luftwaffe. Er-

Wer auch immer die neuen Hubschraub­er liefern wird – Airbus kassiert mit. Bei der Zertifizie­rung und Ausrüstung nach europäisch­en Standards.

setzt werden sollen die Sikorsky CH53. Der Typ hat sich zwar als vergleichs­weise zuverlässi­g erwiesen. Doch nun ist er in die Jahre gekommen.

Es geht um 40 bis 60 Stück. Der US-Hersteller des Nachfolget­yps CH53K, Lockheed Martin, will die neue Maschine demnächst erstmals im Ausland vorstellen. Durchgesic­kert ist auch wo: auf der Internatio­nalen Luftund Raumfahrtm­esse in Berlin-Schönefeld. Sie findet vom 25. bis 29. April 2018 statt. Der Konzern verspricht bereits jetzt, man werde sich mit der deutschen Industrie »im größtmögli­chen Umfang um das Programm herum« engagieren.

Das versichert auch der US-Rüstungsko­nzern Boeing, der seinen CH47F Chinook anbietet. Er hat den Typ bereits im Sommer beim Hubschraub­erforum in Bückeburg vorgestell­t. Es hieß, man habe Verträge mit fast 100 deutschen Unternehme­n unterzeich­net – im Vorgriff auf die Ausschreib­ung. Die bislang noch nicht stattfand. Ganz am Parlament vorbei will das Verteidigu­ngsministe­rium denn bei einem solchen Milliarden­projekt doch nicht agieren.

Insider meinen, Lockheed hätte bei diesem Hubschraub­erprojekt einen Vorteil gegenüber dem Konkurrent­en Boeing. Denn in diesem Jahr soll auch entschiede­n werden, womit die Bundeswehr den atomwaffen­fähigen Tornado-Jagdbomber ersetzen will. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass man in den USA extrem teure F-35Jets kaufen will. Die kommen aus den Werkhallen von Lockheed Martin.

 ?? Foto: dpa/Bernd Wüstneck ?? Ob die Fregatte »Magdeburg« jemals mit einem unbemannte­n Heli ausgerüste­t wird?
Foto: dpa/Bernd Wüstneck Ob die Fregatte »Magdeburg« jemals mit einem unbemannte­n Heli ausgerüste­t wird?

Newspapers in German

Newspapers from Germany