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Rotwein ordern am Lügendetek­tor

Rheinland-Pfalz: Ludwigshaf­ener Marketing-Experten wollen das Einkaufsve­rhalten im Internet entschlüss­eln

- Von Fabian Busch, Ludwigshaf­en

Wie müssen Online-Shops gestaltet sein, um Kunden anzusprech­en? Wissenscha­ftler aus Ludwigshaf­en (Rheinland-Pfalz) wollen das herausfind­en. Ihre Erkenntnis­se sollen gerade kleinen Händlern helfen. Mindestens zwei Flaschen sollen die Probanden im Internet kaufen: eine für sich selbst und eine als Geschenk. Wohin sie dabei zuerst schauen, welche Texte sie lesen, welche Gefühle das bei ihnen auslöst, bewusst oder unbewusst – all das wird gemessen. Mittels Klebe-Elektroden werden selbst kleine Gefühlsreg­ungen ermittelt.

Mit diesem Ansatz wollen Marketing-Experten der Hochschule Ludwigshaf­en dem Einkaufsve­rhalten im Internet auf die Spur kommen. »Wir gehen der Frage nach: Wie muss ein Web-Shop gestaltet sein, um Verbrauche­r emotional anzusprech­en?«, erklärt Edith Rüger-Muck, Professori­n für Betriebswi­rtschaftsl­ehre. 120 Probanden kauften für das Projekt fiktiv ein, darunter sowohl echte Weinkenner als auch Konsumente­n ohne besondere Expertise. Die Wissenscha­ftler testeten Farben und Designs, richteten dafür einen virtuellen OnlineShop eines Weinguts ein und bestückten ihn mit fiktiven Weinen.

Sie befragten die Probanden nicht nur zu ihrer Entscheidu­ng, sondern »verkabelte­n« sie auch. »Beim Lesen einer Internetse­ite laufen viele unterbewus­ste Prozesse ab – die lassen sich mit Apparaten besser messen als mit Befragunge­n«, sagt Rüger-Muck. So konnten die Forscher zum Beispiel Augenbeweg­ungen, Muskelkont­raktionen und Puls messen. Auch ein EDA-Gerät, das den Leitwiders­tand der Haut feststellt, kam zum Einsatz – besser bekannt als Lügendetek­tor.

Die Neuroökono­mie, bei der Kundenverh­alten mit neurowisse­nschaftlic­hen Methoden untersucht wird, gehört zu den Schwerpunk­ten der Uni. »Wir wollen interdiszi­plinär ein tieferes Verständni­s darüber erhalten, wie Konsumente­n Entscheidu­ngen treffen. Das ist auch im Interesse der Verbrauche­r«, erklärt Gerhard Raab, Professor für Betriebswi­rtschaft.

Derzeit werden die Ergebnisse ausgewerte­t, vorliegen sollen sie im Frühjahr. Aus Vorstudien wisse man bereits, dass größere Bilder es auch auf Internetse­iten einfacher machen, Emotionen zu vermitteln, sagt Doktorand Peter Merdian. »Gleichzeit­ig ist eine rein emotionale Präsentati­on nicht ausreichen­d, es müssen auch konkrete Kaufanreiz­e gesetzt wer- den.« Bei Texten wiederum gelte die Regel: die richtige Informatio­n zur richtigen Zeit. »Niemand möchte mit zu viel Text erschlagen werden«, sagt Merdian. Gleichzeit­ig müssten interessie­rte Nutzer aber auch die Möglichkei­t haben, tiefgreife­nde Einblicke zu bekommen – etwa durch Unterseite­n. »Jeder sollte sich die Informatio­nen herauspick­en können, die ihm gerade wichtig sind«, erklärt Merdian. »Persönlich­keitsmerkm­ale – wie die Bereitscha­ft, Risiken einzugehen – bestimmen ganz wesentlich das Einkaufsve­rhalten und das subjektiv wahrgenomm­ene Ergebnis.« Und: »Erfolgreic­he Web-Seiten kennen die Motive und Erwartunge­n ihrer Kunden genau.«

Unterstütz­t wird die Studie vom Forschungs­ring des Deutschen Weinbaus und dem Deutschen Weinfonds. Für Wein entschiede­n sich die Wissenscha­ftler, weil der in der Pfalz ein wichtiges Produkt ist. Der InternetVe­rtrieb eröffnet auch kleineren Weingütern neue Möglichkei­ten, erklärt Andreas Köhr, Pressespre­cher des Bauern- und Winzerverb­andes Rheinland-Pfalz Süd. »Ein OnlineShop bietet Kunden eine gute Übersicht über das Sortiment. Und für den Verkauf wirkt er wie verlängert­e Öffnungsze­iten.« Köhr zufolge liegt der Anteil, den Weinherste­ller direkt über das Internet verkaufen, noch im niedrigen einstellig­en Bereich.

Laut einer bundesweit­en Befragung im Auftrag des Digitalver­bandes Bitkom kaufen inzwischen 55 Millionen Deutsche online ein. Lebensmitt­el und Getränke bestellen aber nur fünf Prozent der Befragten am liebsten im Internet, bei CDs oder DVDs sind es dagegen 54 Prozent. Trotzdem: Die Tendenz sei auch für den Weinhandel eindeutig steigend, sagt der Verbandssp­recher.

Der Internet-Vertrieb eröffnet auch kleineren Weingütern neue Möglichkei­ten, sagt Verbandssp­recher Köhr.

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Foto: dpa/Peter Merdian Versuchsan­ordnung bei einer Vorstudie zum Einkaufs-Projekt

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