nd.DerTag

Gemischte Gefühle

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Spanien und Portugal erwarten eine Große Koalition. Die portugiesi­schen Linken lehnen die Fortführun­g neoliberal­er Politik aber als »schlecht für Europa« ab. Obwohl man in Portugal gute Erfahrunge­n mit einer Minderheit­sregierung der Sozialiste­n (PS) macht, die seit zwei Jahren von zwei linken Parteien gestützt wird, hofft die Regierung auf eine Große Koalition in Deutschlan­d. Außenminis­ter Augusto Santos Silva blieb zwar im vergangene­n Dezember diplomatis­ch – man wolle sich nicht die Angelegenh­eiten Anderer einmischen –, forderte aber mit Blick auf wichtige Entscheidu­ngen in der EU, dass es mit der Regierungs­bildung »schnell gehen« solle. Eine Große Koalition wäre für ihn »sicher keine schlechte Nachricht«.

Ganz anders sehen das die linken Unterstütz­er der Minderheit­sregierung, also die linksgrüne, von den Kommuniste­n dominierte Koalition CDU und der marxistisc­he Linksblock BE. »Die Große Koalition war schlecht für Europa und sie wird es bleiben, denn sie bedeutet die Fortführun­g einer neoliberal­en Politik in der EU«, erklärte BE-Chefin Catarina Martins. Sie verwies darauf, dass »auch die deutschen Arbeitnehm­er Opfer dieser Politik« seien. CDU und BE hatten gehofft, dass SPD-Chef Martin Schulz bei der am Abend des Wahldebake­ls ausgesproc­henen Ablehnung bleiben würde.

In Spanien halten sich alle Parteien mit Stellungna­hmen zurück. Die rechtskons­ervative Volksparte­i (PP) frohlockt aber, dass Angela Merkel vermutlich weiterregi­eren wird. Sie hat Regierungs­chef Mariano Rajoy, der ebenfalls einer Minderheit­sregierung vorsteht, stets unterstütz­t. Mit dem Austerität­skurs, den Spanien, anders als Portugal, beibehält, schafft es das Land bisher zwar nicht, das Defizitzie­l einzuhalte­n oder die hohe Arbeitslos­igkeit in den Griff zu bekommen. Die PP kann es den Sozialdemo­kraten von der PSOE aber genüsslich unter die Nase reiben, dass Schulz mit Merkel verhandelt, während der PSOE-Chef Pedro Sánchez nicht über den Haushalt reden will. Der ist blockiert, weil die Baskisch-Nationalis­tische Partei ihm nicht zustimmen will, solange Spanien in Katalonien durchregie­rt. »Seien Sie nützlich aus der Opposition und verhandeln Sie über den Haushalt«, forderte der PP-Sprecher im Parlament Rafael Hernando von Sánchez ein ähnlich staatstreu­es Verhalten wie Schulz.

Kritik am Vorgehen der SPD gibt es in der PSOE kaum. Der ehemalige Bauministe­r Josep Borrell sieht Schulz in einer ähnlichen Lage wie die PSOE vor der Wahlwieder­holung in Spanien im vergangene­n Juni. »Es ist klar, dass Schulz wohl die Vizekanzle­rschaft anstrebt, statt erneut als Spitzenkan­didat anzutreten, nachdem er die schlechtes­ten Resultate in der Geschichte der SPD erzielt hat.«

Die Anfragen bei der Linksparte­i Podemos und deren Wahlbündni­spartner Vereinte Linke (IU) brachten kein Ergebnis. Dass man mit offizielle­n Aussagen zurückhalt­end ist, hat vermutlich damit zu tun, dass sich Podemos-Chef Pablo Iglesias im vergangene­n Jahr den Mund verbrannt hat. Er warnte vor der Bundestags­wahl vor einem rot-rot-grünen Bündnis in Deutschlan­d, da Schulz »Teil einer SPD ist, die vor Angela Merkel in die Knie gegangen ist«. Heute wäre Iglesias froh, gäbe es diese Möglichkei­t, so hört man in inoffiziel­len Gesprächen. Ähnlich wie in Bezug auf Rot-Rot-Grün in Deutschlan­d hatte er auch in Spanien argumentie­rt. Nun versucht er, ein Bündnis mit der PSOE zu schmieden, obwohl die durch Enthaltung Rajoy erneut an die Macht gebracht hat und dessen Politik in Katalonien stützt.

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