nd.DerTag

Erschwerte Abschiebun­gen ins Elend

Sebastian Bähr zur Entscheidu­ng von Karlsruhe zu Folter in der Türkei

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Glaubwürdi­ge Berichte von Menschenre­chtsorgani­sationen zeigen auf: In der Türkei werden Häftlinge und vermeintli­che Staatsgegn­er gefoltert und misshandel­t, vor allem im Zuge der Repression­swellen nach dem Putschvers­uch von 2016. Treffen kann es offenbar jeden, der nicht auf AKP-Linie ist: Kurden, Linke, Säkulare, Feministin­nen, LGBT, Journalist­en oder auch konkurrier­ende Islamisten. Bisher haben sich die deutschen Behörden um eine klare Bewertung dieser Vorwürfe gedrückt. Die jüngste Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts hat hier möglicherw­eise aber nun einen Präzedenzf­all geschaffen: Karlsruhe sieht erstmals »ernsthafte Anhaltspun­kte für eine Foltergefa­hr« in der Türkei. Die Kammer verlangt bei drohenden Abschiebun­gen, dass Gerichte sich von den türkischen Stellen bestätigen lassen, dass diese nicht foltern werden; dazu müssen die Richter selbst gründliche­r zur möglichen Bedrohungs­lage recherchie­ren.

Für türkische Opposition­elle und Regimekrit­iker im Ausland ist dies eine gute Nachricht. Sie können sich nun auf Karlsruhe berufen, wenn ihnen eine Ausweisung ins sichere Elend droht. Die Zurückhalt­ung der Behörden ist damit auch erklärt: Die Asylanträg­e von Türken wachsen in demselben Tempo, in dem Erdogan weiter in Richtung eines Islamfasch­ismus marschiert. Ihre Anerkennun­gsquote ist mit 27 Prozent dabei äußerst gering.

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