Schwarzer Tag der Sejm-Opposition
Stephan Fischer zum Scheitern des liberaleren polnischen Abtreibungsrechts
Die Abstimmungen zum Abtreibungsrecht offenbaren zweierlei: »Liberal« bedeutet für die Bürgerplattform (PO) und Moderne (Nowoczesna) vor allem marktliberal. Emanzipation und Selbstbestimmung der Menschen in anderen Bereichen sind im Zweifel nicht so wichtig: Auf eine parlamentarische Opposition, die sich auch auf die starke Frauenbewegung stützen will, können sich ebenjene Frauen wiederum nicht verlassen. Beiden Parteien dürfte es künftig deutlich schwerer fallen, außerparlamentarische Bündnispartner zu gewinnen. Offener Streit tobt bereits über Konsequenzen aus dem Debakel – schon werden disziplinarische Maßnahmen bis hin zu Parteiausschlüssen verkündet, andere Abgeordnete treten selbst aus. Ein schwarzer Tag für die Opposition im Sejm, die sich selbst atomisiert.
Für die PiS ist es dagegen ein Sieg auf der ganzen Linie: Das Gesetzesvorhaben zur Verschärfung des Abtreibungsrechts hat die nächste parlamentarische Hürde genommen. Und die vielen PiS-Stimmen für den liberaleren Entwurf senden das Signal, dass die Partei Bürgerbegehren ernst nimmt, während das konkrete Anliegen einer Liberalisierung des Abtreibungsrechts selbst auf der ganzen Linie scheiterte. Wirklicher Protest ist wieder nur außerhalb des Parlaments zu erwarten – wo er die Regierung nur beeindruckt, wenn er in die Hunderttausende geht.