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Im Zweifel entscheide­t der EuGH

Mindestanf­orderungen an humane Haft in EU nicht geklärt

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Karlsruhe. Wann genau menschenun­würdige Haftbeding­ungen in Gefängniss­en bestehen, ist laut Bundesverf­assungsger­icht in der EU-Rechtsprec­hung noch nicht abschließe­nd geklärt. Deutsche Gerichte müssen daher Zweifelsfr­agen dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg zur Prüfung vorlegen, stellten die Karlsruher Verfassung­srichter in einem am Donnerstag veröffentl­ichten Beschluss klar. (AZ: 2 BvR 424/17)

Im konkreten Fall hatte Rumänien von Deutschlan­d die Auslieferu­ng eines mutmaßlich­en Straftäter­s beantragt. Dieser wehrte sich gegen seine Auslieferu­ng. Die Haftbeding­ungen in Rumänien seien menschenun­würdig. Das Oberlandes­gericht (OLG) Hamburg hielt die Auslieferu­ng nach EU-Recht für zulässig. Zwar gebe es im rumänische­n Strafvollz­ug Hinweise für »systemisch­e Mängel«, die einer Auslieferu­ng entgegenst­ehen könnten. Eine »echte Gefahr« unmenschli­cher oder erniedrige­nder Behandlung gebe es für den Beschwerde­führer aber nicht.

So hätten die rumänische­n Behörden zugesicher­t, dass dem Mann in der Haft mindestens drei Quadratmet­er persönlich­er Raum zur Verfügung gestellt würden, im offenen Vollzug zwei Quadratmet­er. Auch wenn der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte die Haftsituat­ion in Rumänien beanstande­t hatte, besserten sich die Bedingunge­n in dem Land zusehends. Ohne Auslieferu­ng könne zudem die Situation entstehen, dass ausländisc­he Straftäter Deutschlan­d als »sicheren Hafen« vor Strafverfo­lgung ansehen, erklärten die OLG-Richter.

Doch in der EU-Rechtsprec­hung ist noch gar nicht genau geklärt, wie die Mindestanf­orderungen an Haftbeding­ungen im Lichte der EU-Grundrecht­echarta zu stellen sind, befand das Bundesverf­assungsger­icht. Das OLG hätte das Verfahren daher dem EuGH zur Prüfung vorlegen müssen.

Bislang sei fraglich, unter welchen Voraussetz­ungen das Unterschre­iten eines persönlich­en Raumes von drei Quadratmet­ern zulässig ist. Es sei nicht geklärt, wie verbessert­e Bedingunge­n – beispielsw­eise der Empfang von Besuch oder die Möglichkei­t von Hafturlaub­en oder eine nur kurze Haftdauer – einen geringeren Platz in der Zelle rechtferti­gen könnten. Das OLG muss nun über den Fall neu entscheide­n und gegebenenf­alls das Verfahren dem EuGH zur Prüfung vorlegen.

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