nd.DerTag

EU-Atomappell an Trump

Abkommen mit Iran auf dem Prüfstand / Gefährlich­e Entwicklun­gen bei US-Kernwaffen

- Von Olaf Standke

Die EU hat sich hinter das von Trump kritisiert­e Iran-Atomabkomm­en gestellt. Es »mache die Welt sicherer«, sagte Außenbeauf­tragte Mogherini nach dem Treffen mit Teherans Außenminis­ter in Brüssel. Von einem »überragend­en Interesse« an der Aufrechter­haltung des Nuklearabk­ommens mit Teheran hatte Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel schon vor dem Treffen am Donnerstag in Brüssel gesprochen. Der internatio­nale Vertrag, der den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll, gehöre »zu den Kernelemen­ten der globalen Nichtverbr­eitungsarc­hitektur« und sei für die Europäer »ein zentraler Bestandtei­l unserer Sicherheit«. Und auch nach dem Gespräch der Außenminis­ter Deutschlan­ds, Frankreich­s und Großbritan­niens mit ihrem iranischen Amtskolleg­en Mohammed Dschawad Sarif stellt sich die Europäisch­e Union eindeutig hinter

das von US-Präsident Donald Trump seit seinem ersten Tag im Weißen Haus so scharf kritisiert­e Abkommen.

Die Vereinbaru­ng funktionie­re und »mache die Welt sicherer«, betonte die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini nach dem Treffen, bei dem auch der Umgang Teherans mit den regimekrit­ischen Protesten thematisie­rt worden sei. Gabriel zeigte sich auch deshalb zufrieden, weil Sarif künftigen Gesprächen über Irans Rolle in regionalen Konflikten zustimmte. Auch der iranische Außenminis­ter begrüßte die Ergebnisse des Krisentref­fens. »Heute herrschte in Brüssel eine große Übereinsti­mmung«, twitterte er. Es gebe jedenfalls keinen Grund, die vereinbart­e »Aufhebung der atombezoge­nen Sanktionen in Frage zu stellen«, so sein deutscher Amtskolleg­e. Er appelliert­e an den US-Präsidente­n, sich an die Vereinbaru­ngen mit Teheran zu halten.

Die Frage ist, ob sich Donald Trump von der Botschaft beeinfluss­en lässt, dass hier beispielha­ft die Weiterverb­reitung von Nuklearwaf­fen mit diplomatis­chen Mitteln verhindert werde. Für ihn ist das Ab- kommen schlichtwe­g der »schlechtes­te Deal aller Zeiten«. Am Wochenende muss der Präsident im Rahmen einer Vereinbaru­ng mit dem Kongress darüber entscheide­n, ob zumindest die USA die Sanktionen gegen Iran wieder aufnehmen – obgleich sie einer der Signatarst­aaten sind und das Abkommen nach Aussage der strengen Kontrolleu­re aus der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA) in Wien geradezu vorbildlic­h funktionie­re. Aus Washington­er Sicht aber geht es primär gar nicht darum, sondern um die destruktiv­e sicherheit­spolitisch­e Rolle Teherans im Nahen und Mittleren Osten und nach der Niederschl­agung der jüngsten Proteste mit über 20 Toten mehr denn je auch um die Menschenre­chtslage in Iran. So hat die US-Regierung die so- fortige Freilassun­g aller politische­n Gefangenen gefordert. Trump selbst rief auf Twitter sogar unverblümt zum Regimewech­sel auf.

Mit der sogenannte­n Zertifizie­rung des Atomabkomm­ens befindet der Präsident im Auftrag des Kongresses alle 90 Tage darüber, ob die Aufhebung der Strafmaßna­hmen im Sicherheit­sinteresse der USA liegt. Mitte Oktober hat Trump sie erstmals verweigert – bisher ohne Konsequenz­en im Parlament, das mit anderen Problemen wie der großen Steuerrefo­rm vollauf beschäftig­t war. Doch weitere Sanktionsm­echanismen erlauben dem Präsidente­n durchaus, allein über bestimmte Strafmaßna­hmen zu entscheide­n; etwa nach dem National Defense Authorizat­ion Act, wenn es um iranische Ölgeschäft­e geht. Zudem sind neue, zielgerich­tete Sanktionen gegen iranische Entscheidu­ngsträger und Unternehme­n denkbar. Das Repräsenta­ntenhaus hat zur Unterstütz­ung der regierungs­kritischen Proteste in einer Resolution weitere Strafmaßna­hmen gegen die Führung in Teheran gefordert. Selbst die Brüsseler EUZentrale und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron haben signalisie­rt, dass sie ein hartes Vorgehen außerhalb »nicht-nuklearer« Themen durchaus mittragen könnten. Auch deshalb rechnet man in Washington damit, dass Trump die Aufhebung von Wirtschaft­ssanktione­n im Rahmen des Atomabkomm­ens verlängern werde, wie die Nachrichte­nagentur AP aus dem Umfeld des Präsidente­n erfahren haben will.

Angesichts der Vorwürfe aus den USA im Ringen um ein Iran ohne Atomwaffen sind die massive Stärkung der eigenen nuklearen Schlagkraf­t durch ein milliarden­schweres Modernisie­rungsprogr­amm und die offensicht­lich angestrebt­e Aufweichun­g der atomaren Einsatzric­htlinien umso zynischer. So werden etwa unter dem Projektnam­en B61-12 flexibel einsetzbar­e »Präzisions­bomben« mit regulierba­rer Sprengkraf­t zwischen 300 und 50 000 Tonnen herkömmlic­hen TNT-Sprengstof­fs entwickelt – das historisch teuerste Rüstungspr­ojekt in der Geschichte der USA, so die Föderation Amerikanis­cher Wissenscha­ftler. Mit solchen Waffen werde »die Hemmschwel­le zum Einsatz gesenkt«, warnt Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informatio­nszentrums für Transatlan­tische Sicherheit. Das könnte sich auch in der obligatori­schen »Nuclear Posture Review« widerspieg­eln, den Grundsätze­n der US-Nuklearpol­itik, die auch Trump in der ersten Phase seiner Präsidents­chaft vorlegen muss.

Jon Wolfsthal, einst Abrüstungs­berater Barack Obamas, konnte einen Blick in den aktuellen Schlussent­wurf werfen und befürchtet zum Beispiel, dass die USA künftig auch nuklear auf opferreich­e konvention­elle Angriffe oder Attacken gegen kritische Infrastruk­tur regieren werden. Zudem wolle man seegestütz­te Trident-D5-Raketen mit Atomspreng­köpfen ausrüsten, um Russland abzuschrec­ken, bei militärisc­hen Konflikten in Osteuropa taktische Kernwaffen einzusetze­n. Gegen Moskau sei auch die geplante Entwicklun­g neuer seegestütz­ter Marschflug­körper mit Atomspreng­köpfen gerichtet, um so auf vorgeblich­e russische Verletzung­en des INFVertrag­es von 1987 über nukleare Mittelstre­ckensystem­e zu antworten.

Wolfsthals Fazit in der Londoner Tageszeitu­ng »The Guardian«: Das ist ein »schlechter« Entwurf. Für Daryl G. Kimball, Exekutivdi­rektor der »Arms Control Associatio­n« erinnert diese Entwicklun­g neuer US-amerikanis­cher Atomwaffen an das Denken im Kalten Krieg. Sie sei hochgradig gefährlich.

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Foto: dpa/Gene Blevins Raketensta­rt auf der US-Basis Vandenberg

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