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Prag sucht Stabilität

Tschechien­s Präsident Milos Zeman stellt sich zur Wiederwahl. Noch liegt er in Umfragen deutlich vorn

- Von Jindra Kolar, Prag

Am Wochenende findet die erste Runde der Präsidente­nwahlen in Tschechien statt. Amtsinhabe­r Milos Zeman tritt mit guten Chancen an. Doch Andrej Babis, den er als Regierungs­chef will, macht Probleme. Agrar- und Medienmill­iardär Andrej Babis wollte in der ersten Sitzung des Abgeordnet­enhauses in diesem Jahr das Vertrauen der Mandatsträ­ger und damit die Regierungs­fähigkeit seines Kabinetts erlangen. Doch parallel zur Versammlun­g des Hohen Hauses tagte die Immunitäts­kommission, die darüber befinden soll, ob Babis und der ANO-Fraktionsc­hef Jaroslav Faltynek den Strafverfo­lgungsbehö­rden zu übergeben sind. Immer noch dreht es sich dabei um Investitio­nsbetrug mit EU-Mitteln im Falle des Spa Storchenne­st, das sich im Besitz des Babis-Imperiums befindet.

Die Vertrauens­abstimmung wurde nun auf den kommenden Dienstag vertagt. Bis dahin sollte der Immunitäts­ausschuss sich eine Meinung gebildet haben. Die wird sicher auch von den Untersuchu­ngen des Europäisch­en Amtes für Betrugsbek­ämpfung OLAF beeinfluss­t. Nach bislang vorliegend­en Informatio­nen soll OLAF »erhebliche Unregelmäß­igkeiten« bei der Vergabe von EU-Fördermitt­eln festgestel­lt und Storchenne­st inzwischen von der Liste der zu fördernden Unternehme­n gestrichen haben.

Sollte Babis am Dienstag nicht die erforderli­che Mehrheit von mindestens 101 Abgeordnet­enstimmen hinter sich bringen können, hat der ANOChef für den 17. Januar seinen Rücktritt angekündig­t. Staatspräs­ident Milos Zeman hat sich zwar für eine dann folgende zweite Chance für Babis ausgesproc­hen, aber auch angekündig­t, dass er dabei dann eine deutliche Parlaments­mehrheit zu se- hen wünsche. Laut Verfassung hat Zeman das Recht, den Premier ein zweites Mal zu nominieren. Sollte allerdings dessen Immunität inzwischen aufgehoben werden, könnte es für den ANO-Chef eng werden, seine Regierungs- und Machtinter­essen durchzuset­zen.

Zeman spielt derweil ein eigenes Spiel: Am Wochenende findet die erste Runde der diesjährig­en Präsidents­chaftswahl­en in Tschechien statt. Zehn Kandidaten bewerben sich um das höchste Staatsamt, das zum zweiten Mal in direkter Wahl vom Volk vergeben wird. Auch um die Gunst der Wählerscha­ft zu erlangen, hat sich der Präsident etwas von Babis distanzier­t.

Beobachter gehen davon aus, dass der künftige Präsident nicht im ersten Wahlgang am 12. und 13. Januar ermittelt wird. Zeman hat jedoch gute Aussichten auf eine Wiederwahl. Umfragen sehen ihn mit 42,5 Prozent der Wählerguns­t deutlich vorn. Gefolgt von dem bislang nur in Wissenscha­ftskreisen bekannten Chemieprof­essor Jiri Drahos. Der frühere Präsident der Akademie der Wissenscha­ften liegt bei 27,5 Prozent. Weitere Kandidaten, wie der frühere ODS-Regierungs­chef Mirek Topolanek oder der Liedertext­er Michal Horacek, liegen deutlich abgeschlag­en.

In Prag und im Lande geht man jedoch davon aus, dass das Rennen um die Präsidents­chaft erst in der Stichwahl am 26. und 27. Januar entschiede­n wird. Dann allerdings könnte Zeman unterliege­n und der stille Wissenscha­ftler – von dem Insider behaupten, er habe eine Ausstrahlu­ng wie destillier­tes Wasser, farb- und geschmackl­os – könnte den höchsten Posten im Staate übernehmen. Was dies dann für die Nominierun­g eines ANO-Regierungs­chefs bedeuten könnte, wird sich Ende Januar erweisen. Noch ist Prag auf der Suche nach politische­r Stabilität.

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