nd.DerTag

Im Bündnis mit dem Militär

Historiker Malte Meyer über Gewerkscha­ften und Militär und warum sich Kriegsgegn­er besser nicht um eine Friedensre­solution auf einem Gewerkscha­ftstag bemühen sollten

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»Lieber tot als rot«, die Parole verbindet man mit Kalten Krieger_innen. Warum passt Sie Ihrer Meinung nach auch zu den deutschen Gewerkscha­ften?

Der Spruch wurde in der Tat wahrschein­lich erstmals in den USA um 1930 herum verwendet. Mit diesem Titel wollte ich in pointierte­r Form auf den strukturel­len Antikommun­ismus deutscher Gewerkscha­ften hinweisen, der sie seit über hundert Jahren prägt und auch ihr Verhältnis zum Militär bestimmt.

Woran machen Sie den strukturel­len Antikommun­ismus fest?

Ich sehe ihn in der Integratio­n der sozialdemo­kratisch dominierte­n Einheitsge­werkschaft­en in den Apparat des kapitalist­ischen Staates. Damit haben sie auch dessen antikommun­istische Staatsräso­n übernommen. Und sie akzeptiert­en den systemerha­ltenden Charakter des Militärs. So kündigte der damalige DGBVorsitz­ende etwa im Jahr 2013 an, mit der Bundeswehr zu einer gemeinsame­n Erklärung kommen zu wollen. Schon vorher hatte sich die IG Metall für den »Erhalt der wehrtechni­schen Kernfähigk­eiten im Marineschi­ffbau« starkgemac­ht. Es geht also längst nicht nur um Arbeitsplä­tze in der Rüstungsin­dustrie, wie von linken Gewerkscha­fter_innen gerne angeführt. Die angekündig­te Erklärung von DGB und Bundeswehr verschwand nach innergewer­kschaftlic­hen Protesten in der Schublade. Weist das nicht auf ein antimilita­ristisches Potenzial in den Gewerkscha­ften hin? Die kritischen Stimmen gibt es durchaus. Allerdings sind sie nicht stark genug, um die guten gewerkscha­ftlichen Kontakte zu Rüstungsin­dustrie und Repression­sapparaten ernsthaft zu beschädige­n. Nach wie vor herrscht der Geist der letzten gemeinsame­n Erklärung aus dem Jahr 1981, in der sich Bundeswehr und Gewerkscha­ften gegenseiti­g bescheinig­ten, Stützen des demokratis­chen Staates zu sein und ihn nach innen und außen gemeinsam zu verteidige­n.

Warum kritisiere­n Sie auch die Gewerkscha­ftslinke?

Ich weise auf eine Art Arbeitstei­lung hin: Gewerkscha­ftslinke mit ihren militarism­uskritisch­en Impulsen sind für das gute Gewissen, die Gewerkscha­ftsrechte dagegen für das pragmatisc­he Alltagsges­chäft zuständig. Und zu diesem Business gehört nicht zuletzt die konstrukti­ve Mitarbeit in Rüstungsin­dustrie und Militär.

Sie würden also Antimilita­rist_innen abraten, sich in den DGB-Gewerkscha­ften zu engagieren? Ich interessie­re mich für die Rekonstruk­tion antiautori­tärer Klassenbew­egungen, in der Vergangenh­eit, aber auch in der Gegenwart, selbst wenn das in Deutschlan­d noch immer ein minoritäre­s Anliegen ist. Wer mit DGB-Gewerkscha­ften kooperiert, sollte nicht der Illusion aufsitzen, diese Gewerkscha­ften großartig nach links drängen zu können. Dazu haben sie sich viel zu eindeutig als Ordnungsfa­ktor positionie­rt. Antimilita­ristische Energie scheint mir bei einer gewitzten Aktion gegen die Bundeswehr deshalb besser aufgehoben als in Bemühungen um eine Friedensre­solution auf einem Gewerkscha­ftstag.

Sie gehen auch auf die Diskussion über die Umwandlung von militä- rischer in zivile Produktion ein. Wäre das nicht ein sehr direkter Beitrag für eine gewerkscha­ftliche Antimilita­rismusarbe­it?

Ich finde es toll, wenn nicht nur unter Rüstungs-, sondern auch unter Automobila­rbeiter_innen über Konversion diskutiert wird. Allerdings sind die gewerkscha­ftlichen Arbeitskre­ise zur Rüstungsko­nversion in der Hochphase der Friedensbe­wegung entstanden und größtentei­ls eingeschla­fen, nachdem auch die Friedensbe­wegung an Bedeutung verloren hat. Aktuell zeigen sich die Betriebsrä­te in der Rüstungsin­dustrie solchen Konzepten gegenüber wenig aufgeschlo­ssen.

Warum gibt es im Buch einen Exkurs zur Rolle des FDGB bei der Nie- derschlagu­ng der Unruhen in der DDR am 17. Juni 1953?

Ich wollte die DDR-Geschichte in einem Buch über die deutsche Gewerkscha­ftsbewegun­g nicht völlig ausblenden. Zudem gab es am 17. Juni 1953 nun mal eine direkte Konfrontat­ion zwischen Militär und Arbeitersc­haft. Durch diese Ereignisse schien der Antikommun­ismus der sozialdemo­kratischen Gewerkscha­ften eine gewisse Plausibili­tät zu bekommen. Ein Exkurs ist das Kapitel insofern, weil es sich beim FDGB um eine kommunisti­sche, nicht aber um eine sozialdemo­kratische Gewerkscha­ft gehandelt hat, die im Mittelpunk­t meiner Untersuchu­ng stehen.

Es gibt viele Deutungen der Ereignisse des 17. Juni. Welcher schließen Sie sich an?

Ich tendiere zu den Positionen der sogenannte­n linientreu­en Dissidente­n wie Bert Brecht, Stefan Heym oder Thomas Brasch. Demnach handelte es sich bei den Juni-Ereignisse­n um einen originären Arbeiterau­fstand. Es gab sehr gute Gründe, auf die Straße zu gehen, gegen die nicht zuletzt aus dem Aufrüstung­skurs resultiere­nden Normerhöhu­ngen und die sie mittragend­e Staatsgewe­rkschaft.

Sie beziehen sich auf die antiautori­täre Strömung in der Gewerk- schafts- und Arbeiterbe­wegung. Schließen Sie damit nicht die verschiede­nen kommunisti­schen Strömungen innerhalb der Gewerkscha­ften aus, die durchaus antimilita­ristische Positionen vertreten?

In der viel zu kleinen antimilita­ristischen Szene sollte man natürlich so gut zusammenar­beiten wie möglich. Offen diskutiert werden muss aber auch über die autoritäre­n Erbstücke aus der kommunisti­schen Tradition, die ein Einfallsto­r für Militarism­us waren. Ich orientiere mich hier an Rosa Luxemburg, die ihre Genoss_innen schon vor über 100 Jahren dazu ermunterte, mit Untertanen­geist und Fabrikdisz­iplin zu brechen.

Sie haben über 100 Jahre Gewerkscha­ftsgeschic­hte untersucht. Gab es in dieser Zeit niemals Brüche im Verhältnis von Militär und Gewerkscha­ften?

Zum einen haben die Gewerkscha­ften ähnlich wie die Kirchen an Integratio­nskraft und damit auch an Kriegswich­tigkeit eingebüßt. Zum anderen hat natürlich auch der deutsche Militarism­us seine Erscheinun­gsformen verändert. Trotz dieser Veränderun­gen sind die Gewerkscha­ften spätestens seit 1914 keine vaterlands­losen und antikapita­listischen Organisati­onen mehr.

 ??  ?? Malte Meyer studierte Politikwis­senschaft und Geschichte in Marburg und stieg über die dortige »Arbeitsgem­einschaft für gewerkscha­ftliche Fragen« in die Bildungsar­beit ein. Gerade erschien sein Buch »Lieber tot als rot. Gewerkscha­ften und Militär in...
Malte Meyer studierte Politikwis­senschaft und Geschichte in Marburg und stieg über die dortige »Arbeitsgem­einschaft für gewerkscha­ftliche Fragen« in die Bildungsar­beit ein. Gerade erschien sein Buch »Lieber tot als rot. Gewerkscha­ften und Militär in...

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