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Schöpfer von Friedenssy­mbol verstorben

Künstler Herbert Sander hatte die sowjetisch­e Plastik »Schwerter zu Pflugschar­en« für Lesezeiche­n verwendet

- Von Andreas Fritsche

Im Auftrag der Kirche entwarf Herbert Sander Anfang der 1980er Jahre ein Motiv für Lesezeiche­n, das sich unerwartet zu einem beliebten Symbol gegen Waffen entwickelt­e. Andreas Bertram hatte 1982 eine Druckerleh­re bei der Tageszeitu­ng »Neues Deutschlan­d« begonnen. Mit einem Aufnäher »Schwerter zu Pflugschar­en« wurde ihm der Zutritt zur Berufsschu­le verweigert. Wegen der Fehltage wurde er nach sechs Monaten entlassen.

Historisch­e Persönlich­keiten wie Carl von Ossietzky (1889-1938) und Bertha von Suttner (1843-1914), die Pazifisten waren, wurden zwar in der DDR als Kriegsgegn­er gewürdigt, der Pazifismus selbst stand aber in weniger hohem Ansehen. Hier galt die auf den Zeichner und Schriftste­ller Wilhelm Busch zurückgehe­nde Losung vom bewaffnete­n Frieden. Den Dienst an der Waffe durften junge Männer zwar verweigern. Nicht jedoch den Wehrdienst. Sie wurden als Bausoldate­n eingezogen.

Der Künstler Herbert Sander, der das Motiv »Schwerter zu Pflugschar­en« Anfang der 1980er Jahre ursprüngli­ch für Lesezeiche­n im Auftrag der Kirche entwarf, ist nach Angaben des Heimatvere­ins Kleinmachn­ow am 4. Januar im Nachbarort Stahnsdorf gestorben, wo er zuletzt gelebt hatte. Geboren wurde er 1938 im thüringisc­hen Nordhausen.

Der Künstler hatte seine berühmte Grafik, die sich auf ein Bibelzitat des Propheten Micha bezieht, an eine Plastik Jewgeni Wutschetit­schs angelehnt. Diese Plastik schenkte die Sowjetunio­n 1959 den Vereinten Nationen. Sie steht vor dem UNO-Sitz in New York.

Nach einem Studium der Angewandte­n Malerei in Berlin hatte Sander erst als Szenenbild­assistent in den DEFA-Filmstudio­s gearbeitet. Ab 1967 war er freischaff­end. Dass sein Friedensze­ichen ein Renner wurde, von dem sich die Staatsmach­t provoziert fühlte, hatte er nicht erwar- tet. Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) reagierte am Mittwoch betroffen auf die Nachricht vom Tod Sanders. »Sander hatte damals mit seinem Aufnäher den Nerv der Zeit getroffen«, sagte er. »Er hat als Künstler Position bezogen und damit der Friedensse­hnsucht Hunderttau­sender eine Plattform gegeben, die der Militarisi­erung der DDR skeptisch gegenübers­tanden.« Ministerpr­äsident Woidke, der als Soldat in der DDR ein Gewehr vom Typ Kalaschnik­ow ge- tragen hatte, meinte jetzt, dass Motiv sei klug gewählt gewesen, »weil er sich auf ein sowjetisch­es Kunstwerk bezog, gegen das die DDR nicht Front machen konnte«. Sander habe auch politisch Flagge gezeigt, als er 1989 das opposition­elle Neue Forum in Kleinmachn­ow mitgründet­e und Spuren des jüdischen Lebens in Brandenbur­g nachging.

2014 wurde Sander mit dem Verdiensto­rden des Landes Brandenbur­g ausgezeich­net.

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Foto: imago/Christian Ditsch Bei einer Friedensku­ndgebung am 8. Mai 2012 in Berlin

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