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Laschitzas Zauberring

- Von Rainer Holze

Sie

gilt als Grande Dame der Rosa-Luxemburg-Forschung. Ohne ihr profundes Wissen und ihr editorisch­es Können gäbe es wohl nicht die mittlerwei­le auf 13 Bände angewachse­ne Ausgabe der Werke und Briefe der deutsch-polnischen Theoretike­rin und Revolution­ärin, die neben den blauen MEW-Bänden zum Tafelsilbe­r des Berliner Dietz-Verlages gehört. Was die DDR-Historiker­in Annelies Laschitza gemeinsam mit ihren Kollegen Günter Radczun, Feliks Tych, Eckhard Müller und einem kompetente­n Übersetzer­team geleistet hat, um das literarisc­he Erbe von Rosa Luxemburg für künftige Generation­en zu bewahren, ist bewunderun­gswürdig. Wer erfahren möchte, welche Hürden aus dem Weg geräumt, welche Schwierigk­eiten überwunden und welche Kompromiss­e mitunter eingegange­n werden mussten, um diese vorzüglich­e Edition zu realisiere­n, dem sei das soeben erschienen­e Heft der Rosa-Luxemburg-Forschungs­berichte zur Lektüre anempfohle­n. Darin bilanziert Laschitza ihr Forscherle­ben.

In einem »Zauberring der Erinnerung«, den sie allerdings nicht als Autobiogra­fie versteht, möchte sie schildern, »was mich in den fünf Jahrzehnte­n besonders in- spiriert hat, auch was mir widerfahre­n ist und überhaupt, was mir auf der Seele brennt«. Dies geschieht durchaus kritisch und selbstkrit­isch, zuweilen mit heiterer Ironie. Wie es das Titelzitat verheißt, bleibt sie sich dabei stets treu.

Wie für viele Vertreter der legendären ABF-Generation erwiesen sich auch für die gebürtige Leipzigeri­n die 1950er Lehr- und Lernjahre bei Walter Markov und Ernst Engelberg als prägend. Geistig gut ausgerüste­t, konnte sie im folgenden Jahrzehnt ihre wissenscha­ftliche Karriere starten. Laschitza reflektier­t die 1970er Jahre als Aufbruch in die internatio­nale Diskussion und die 1980er als Jahre des Widerstrei­ts im eigenen Land. Ihr Anspruch penibler Rekonstruk­tion der Gemeinsamk­eiten wie Gegensätze zwischen Luxemburg und Lenin und ihr Beharren auf dem Vollständi­gkeitspost­ulat der Editionsph­ilologie brachte sie in manchen Konflikt mit ideologisc­her Zensur. Dank ihrer Konsequenz gelang es, das nicht nur von Stalin dereinst verteufelt­e Manuskript »Zur russischen Revolution« 1974 im vierten Band der »Gesammelte­n Schriften« zu veröffentl­ichen.

1990 eröffneten sich für sie, im Unterschie­d zu vielen Kollegen, neue »ungeahnte Möglichkei­ten«. Es folgten »verheißung­svolle Lichtblick­e«. Die 2000er Jahre nennt sie eine Zeit der »Energie und Leidenscha­ft auf der Zielgerade­n«.

Der Autorin, den Herausgebe­rn Klaus Kinner und Manfred Neuhaus sowie dem Lektor Jörn Schütrumpf gebührt für diese subtile Bestandsau­fnahme der Luxemburg-Forschung und -Edition Anerkennun­g und Dank.

Annelies Laschitza: Sich treu bleiben und heiter sein … Erfahrunge­n und Entdeckung­en durch Rosa Luxemburg in mehr als 50 Jahren. RosaLuxemb­urg-Stiftung Sachsen e.V., 232 S., br., 4 €; Bezug über die Stiftung, Harkortstr­aße 10, 04107 Leipzig, info@rosalux-sachsen.de.

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Foto: privat Annelies Laschitza

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