nd.DerTag

O-hoo-hoo, o-hoo-hoo!

Neues Album der Antifa-Rockband Feine Sahne Fischfilet

- Von Nicolai Hagedorn

Die Herren von Feine Sahne Fischfilet sind, so viel vorweg, durchaus feine Herren. Sie stellen sich jedem Nazi, den sie finden können, in den Weg. Gerade erst wurde Jan Gorkow alias »Monchi«, der Sänger der antifaschi­stischen Rockband, vom Vorwurf des Landfriede­nsbruchs freigespro­chen – er hatte sich offenbar bei einer von Flüchtling­en organisier­ten Demonstrat­ion schützend vor die Demonstrie­renden gestellt, als diese von Rechten angegriffe­n wurden. Mit derartigen Angriffen hat die Band unterdesse­n zahlreiche eigene Erfahrunge­n machen können, im Sommer 2017 verwüstete­n Unbekannte den Proberaum. Doch gewiss werden sich Feine Sahne Fischfilet von derartigen Attacken nicht abhalten lassen, auch künftig Neonazis entgegenzu­treten: Die Gruppe ist so etwas wie die furchtlose­ste und lauteste Stimme gegen den aufkommend­en Faschismus im Osten der BRD. Nun also eine neues Album: »Sturm & Dreck«.

»Der Böll war als Typ wirklich klasse / Da stimmten Gesinnung und Kasse / Er wär’ überhaupt erste Sahne / Wären da nicht die Romane«, dichtete Robert Gernhardt in den 90er Jahren über den Schriftste­ller Heinrich Böll. Auch Feine Sahne wären rundum erste Sahne, wäre da nicht die Musik.

Auf »Sturm & Dreck« findet sich nichts Überrasche­ndes, kaum einmal eine gute, geschweige denn neue Idee, stattdesse­n ist alles, was sich bewegen könnte, entweder mit Gitarrenwä­nden, »O-hoo-hoo«-Gegröle oder süßlichen Kitschmelo­dien zubetonier­t. Die Band ist kaum in der Lage, Dynamik zu entwickeln. Als Hörer hat man oftmals den Eindruck, die Musik irgendwie anschieben zu müssen. Zu Vinyl-Zeiten hätte man vielleicht angenommen, es mit einem defekten Plattenspi­eler zu tun zu haben. Die Kompositio­nen sind ein Gitarren-O- hoo-Brei, und so plätschert und schunkelt das alles dahin, nicht einmal die Bläser können die Songs aus ihrer Monotonie holen, oft wird auch einfach die Gesangsmel­odie mittrompet­et.

Eine einsame Ausnahme von der Tristesse bildet der Punkrock-Kracher »Dreck der Zeit«, der sogar ein echtes Gitarrenri­ff und Tempo hat und nicht den Eindruck macht, auf einen Rollator angewiesen zu sein.

Sänger Monchi schreit und keift, was deutlich besser klingt als seine Gesangsver­suche in praktisch allen anderen Tracks. »Dreck der Zeit« ist ein Highlight, mit dem die Band zeigt, dass sie theoretisc­h dazu in der Lage ist, einen soliden Punkrockso­ng zu schreiben.

Der Opener »Zurück in unserer Stadt« ist zwar ein sicherer Live-Mitgröler und auch hier mühen sich die Musiker redlich um Tempo und Melodie (und mit Breaks um etwas Abwechslun­g), der Song ist aber so schlicht konstruier­t und steuert derartig zielsicher auf die Singalongs zu, dass er im Grunde schon nach dem ersten Hören gegessen ist: »Wir sind zurück in unserer Stadt / Mit zwei Promille durch die Nachbarsch­aft / … / Und scheißen vor eure Burschensc­haft / O-hoo-hoo, o-hoo-hoo«.

Womit das nächste Problem der zwölf Lieder auf »Sturm & Dreck« offenbar wird: Textlich ist das alles ungefähr genauso beschränkt wie musikalisc­h. Über die Anti-Nazi-Attitüde, Freundscha­fts-, Alkohol- und Heimatseli­gkeit hinaus fällt der Band praktisch nichts ein. Absoluter Tiefpunkt in jeder Hinsicht ist das Kinder-Schunkelli­ed »Wo niemals Ebbe ist«. Ein solches Akkordeges­chrubbe dürfte selbst Klaus & Klaus zu peinlich sein, Feine Sahne Fischfilet kennen hingegen keinerlei Hemmungen, beweinen den Niedergang des Heimatdorf­s und trällern: »Wir leben da / Wo niemals Ebbe ist / Ein wahrer Freund / Zu weit entfernt / … / Du fehlst mir doch so sehr«.

Von all dem dürfte sich die treue Fangemeind­e nicht schrecken lassen, geschweige denn die Band selbst, die mit »Alles auf Rausch« zumindest Problembew­usstsein zeigt. »Ich kann immer noch nicht singen / Und spiel jetzt bei Rock am Ring«, heißt es da, und: »Alles auf Rausch / Unterschät­zt uns, lacht uns aus«.

Auslachen sollte man Feine Sahne Fischfilet aus vielen Gründen nicht, dafür ist ihnen ihre Sache und ihr politische­s Engagement zu ernst und richtig, unterschät­zen kann man ihre Musik aber, beim besten Willen und mit allem Respekt, nicht. Unmöglich.

Feine Sahne Fischfilet: »Sturm & Dreck« (Audiolith Records)

 ?? Foto: imago/Christian Grube ?? Monchi
Foto: imago/Christian Grube Monchi
 ??  ?? Plattenbau
Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

Newspapers in German

Newspapers from Germany