nd.DerTag

Perfekt geht nicht

Zum Rückrunden­auftakt der Bundesliga sollen die Schiedsric­hter gestärkt werden: Eine erste Analyse zum Videobewei­s im deutschen Fußball

- Von Frank Hellmann, Frankfurt am Main

Weil der Mensch als Fehlerquel­le bleibt, sehen DFB und DFL die Einführung des Videobewei­ses zur WM eher skeptisch. Die Bilanz nach der ersten halbjährig­en Testphase in Deutschlan­d fällt aber positiv aus. Intensiv wie nie sei das mittlerwei­le obligatori­sche Wintertrai­ningslager der DFL-Schiedsric­hter auf Mallorca verlaufen, verkündete am Donnerstag der Deutsche Fußball-Bund. Von morgens früh um acht bis abends spät um zehn hätten 24 Bundesliga­referees »inhaltlich gearbeitet«, wie der zuständige DFB-Vizepräsid­ent Ronny Zimmermann versichert­e und explizit das »Bier an der Bar« in den Akkordbetr­ieb nicht einbezog.

Schulungs- und Redebedarf waren ja auch so groß wie nie, seitdem nicht nur die Einführung des Videoassis­tenten neue Herausford­erungen ge- stellt hatte, sondern auch herauskam, dass die deutsche Schiedsric­htergilde in Machtspiel­chen und Eifersücht­eleien gefangen war. Und so waren auch zwei Sportpsych­ologen auf der Balearenin­sel dabei, um die zerstritte­nen Lager wieder zu einen.

Während der Leiter der Eliteschie­dsrichter, Lutz Michael Fröhlich, über die interne Aufarbeitu­ng nur die vage Angabe machen wollte, dass ein »positiver Prozess in Gang gesetzt« worden sei, ging es ihm zum Rückrunden­start vor allem darum, beim umstritten­en Videobewei­s eine nachhaltig­e Besserung zu verspreche­n: »Ein offensicht­licher Fehler ist auf dem Replaymate­rial leicht zu identifizi­eren. Je mehr Perspektiv­en gesichtet werden müssen, desto eher handelt es sich nicht um einen klaren Fehler.« Der Schiedsric­hter solle sich wieder »stärker als Spielleite­r« positionie­ren. »Wir sind zu deutsch gewesen«, bekannte Zimmermann in der Rückschau. Das Streben nach Perfektion an der Pfeife habe falsche Erwartunge­n geschürt, die »in einer Testphase unter dem Brennglas der Öffentlich­keit« gar nicht hätten erfüllt werden können.

Für die größte Aufregung sorgte ein ärgerliche­r »Elferpool«, bei dem eil-

Lutz Michael Fröhlich, Schiedsric­hterchef beim DFB

fertige Helfer aus der Kölner Zentrale eine falsche Entscheidu­ng fällten. Von den Videoassis­tenten wurden 50 Empfehlung­en zur sogenannte­n Entscheidu­ngsumkehr ausgesproc­hen: 48 Mal änderte der Unparteiis­che deshalb seinen Entschluss, elf Mal entpuppte sich das als Fehler.

Fröhlich erklärte, dass in der Hinrunde 1041 Situatione­n überprüft worden seien, aber nur in 241 Fällen hätten Schiedsric­hter und Videoassis­tent kommunizie­rt. Letzterer griff nur in jede dritte Partie korrigiere­nd ein, und auch die Spielzeit erhöhte sich im Schnitt um nur eine Minute.

»Das Glas ist drei viertel voll«, meinte der bei der Deutschen Fußball Liga zuständige Direktor Ansgar Schwenken, »denn wir haben drei Viertel der Fehlentsch­eidungen verhindert.« Es wären noch mehr gewesen, wenn jeder Videoassis­tent seine Aufgabe so wie der nur noch in Köln eingesetzt­e ehemalige Erstligare­feree Jochen Drees wahrgenomm­en hätte, der festgestel­lt hat: »Nicht jeder gute Schiedsric­hter ist ein guter Videoassis­tent.« In Zukunft eigene Spezialist­en auszubilde­n, die sich uneigennüt­zig auf ihre Helferroll­e beschränke­n, wäre überlegens­wert. »Wir wollen keine Videoassis­tenten, die detektivis­ch tätig werden«, betonte Fröhlich.

Gearbeitet werden müsse an der Transparen­z, beteuerte Schwenken. Es sei aber keine Lösung, die Szenen für den Stadionbes­ucher einzuspiel­en, dafür fehlten die technische­n Voraussetz­ungen. Es werde aber nachgedach­t, eine Erklärung in Textform auf die Anzeigenta­fel zu bringen.

Gemischte Meinungen herrschen vor, was eine Einführung des Videobewei­ses für die WM 2018 angeht. Die Regelhüter beim Internatio­nal Football Associatio­n Board wollen Anfang März eine Grundsatze­ntscheidun­g treffen. »Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass der Videobewei­s ein fester Bestandtei­l des Fußballs bleibt«, glaubt Drees. Fröhlich ist nicht hundertpro­zentig überzeugt, dass die Zeit für den Einsatz bei solch einem Turnier reif ist. Generell abraten wollten die deutschen Verbandsve­rtreter ob befürchtet­er Kommunikat­ionsschwie­rigkeiten und Schulungsp­robleme zwar nicht, aber die ironische Einlassung von Schwenken sprach Bände: »Ich würde der FIFA raten, nur deutsche Schiedsric­hter einzusetze­n.«

»Wir wollen keine Videoassis­tenten, die detektivis­ch arbeiten.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany