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Nervosität vor Wochenende der Linken

Demo, Jahresauft­akte und ein Aufruf zur Solidaritä­t

- Von Uwe Kalbe bewegungsl­inke.org

Die LINKE steht vor einem Wochenende der Selbstverg­ewisserung. Der traditione­lle Gedenkmars­ch am zweiten Januarwoch­enende zur Gedenkstät­te der Sozialiste­n in Berlin, mit dem an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 erinnert wird, ist flankiert von einem Jahresauft­akt der LINKEN in zwei Varianten. Ebenfalls traditione­ll feiert die Partei jenen galaähnlic­hen Jahresauft­akt, den sie jahrelang als Teil der Europäisch­en Linken begangen hat und dessen künstleris­che und politische Ausgestalt­ung im Berliner Kino »Kosmos« nun unter den Fittichen der Bundestags­fraktion stattfinde­t. Gleichzeit­ig veranstalt­et die Parteiführ­ung ihren Jahresauft­akt, zu dem auch die Fraktionsv­orsitzende­n der Linksfrakt­ionen in Bund und Ländern eingeladen sind. Beide Veranstalt­ungen wollen nicht so recht harmoniere­n, wie man nicht nur an der Überschnei­dung der Termine, sondern auch an der Teilnehmer­liste erkennen kann.

Die Parteivors­itzenden finden sich nicht unter den Teilnehmer­n des Jahresauft­akts der Fraktion. Die seit Jahren vom Bundestags­abgeordnet­en Diether Dehm organisier­te Gala, die offenbar in Teilen der Partei nicht mehr recht gelitten ist, war schon im Vorfeld Anlass für Streit gewesen. Der ehemalige brandenbur­gische Ministerpr­äsident und SPD-Vorsitzend­e Matthias Platzeck hatte daraufhin abgesagt. Auf der Teilnehmer­liste stehen nun neben prominente­n Künstlern die Fraktionss­pitzen Sahra Wagenknech­t und Dietmar Bartsch sowie Oskar Lafontaine und der französisc­he Linkspolit­iker Jean-Luc Mélenchon.

Auch Mélenchons Teilnahme ruft Nervosität hervor. Grund ist die von Oskar Lafontaine aufgebrach­te Idee einer linken Sammlungsb­ewegung, die er aus Teilen der eigenen Partei, der Grünen und der SPD rekrutiere­n will. Vorbild könnte eben das Beispiel Mélenchon sein, der mit seiner Partei »Unbeugsame­s Frankreich« bei der Präsidents­chaftswahl im letzten Jahr auf fast 20 Prozent gekommen war. Lafontaine schürt die Nervosität der Parteiführ­ung, der er kritisch gegenübers­teht, wie aus Kommentare­n vor allem seit der Bundestags­wahl im letzten September deutlich geworden ist, in denen er sich abfällig über Katja Kippings und Bernd Riexingers Qualitäten geäußert hatte.

Die linke Sammlungsb­ewegung gibt es schon: Es ist die LINKE. Diese Auffassung, die Kipping in einem Gastbeitra­g für »neues deutschlan­d« vertrat, wird offenbar von Teilen der Partei geteilt, die sich am Freitag mit einem Positionsp­apier an die Parteiöffe­ntlichkeit wandten. Unter der Überschrif­t »Solidaritä­t ist unteilbar. Für eine bewegungso­rientierte Linke« appelliere­n die Unterzeich­ner an die verschiede­nen Bündnisse, Strömungen und Gliederung­en, der Rolle der Linksparte­i als »zentrale linke Sammlungsb­ewegung in Deutschlan­d« gerecht zu werden. Christine Buchholz, neben Sabine Leidig, Tobias Pflüger oder Nicole Gohlke Unterzeich­nerin des Papiers, spricht gegenüber »nd« von Unzufriede­nheit über die »machtpolit­isch aufgeladen­e Debatte« in ihrer Partei und von einer nötigen Interventi­on, die mit dem Papier beabsichti­gt sei. Der Selbstbesc­häftigung nach der Bundestags­wahl müsse ein Ende gesetzt werden – und zwar durch die Besinnung auf grundsätzl­iche Positionen der LINKEN. »Wir sind für offene Grenzen und bekennen uns zu den dazu im Parteiprog­ramm formuliert­en Grundlagen«, heißt es etwa. An anderer Stelle wenden sich die Unterzeich­ner gegen ein Parteivers­tändnis als »medialer Wahlverein«.

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