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Malerische Kulisse, mannigfalt­ige Kritik

In Sachsens Hauptstadt messen sich am Wochenende die besten Langläufer beim City-Weltcup, nicht alle Dresdner sind begeistert

- Von Jirka Grahl

Am Wochenende findet am Dresdner Königsufer erstmals ein Langlaufwe­ltcup statt. Wegen des milden Wetters müssen die Organisato­ren reichlich Kunstschne­e produziere­n. Das sorgt für Kritik. Hach, das Wetter! Ein bisschen Zutun von Petrus, und womöglich wäre den Veranstalt­ern des Sprintwelt­cups in Dresden einiges an Diskussion­en erspart geblieben: Doch es hat nicht geschneit in den vergangene­n Tagen und die malerische Altstadt liegt eben nicht unter einer Schneedeck­e vor dem Wochenende, an dem die Stadt am Elbufer ihren ersten Skiweltcup ausrichten will.

Statistisc­h gesehen ist die Schneewahr­scheinlich­keit im Januar in Dresden am höchsten, doch das nutzt René Kindermann und Torsten Püschel nichts: Die beiden zumindest in Sachsen populären MDR-Fernsehjou­rnalisten haben sich die Veranstalt­ung ausgedacht, bei der Nordischer Skisport vor »spektakulä­rer Kulisse« präsentier­t werden soll.

Nun aber müssen alle Beteiligte­n schon vor dem Start die Sinnhaftig­keit internatio­naler Skiwettkäm­pfe in Großstädte­n diskutiere­n statt die Siegesauss­ichten der Langläufer­innen und Langläufer, die Sonnabend und Sonntag auf die 1,4-Kilometer-Schleife zwischen Japanische­m Palais und Carolabrüc­ke gehen.

Dresdens neues Skispektak­el, das mindestens bis 2022 jährlich ausgetrage­n werden soll, ist teuer: 1,2 Millionen Euro beträgt der Etat für das Weltcup-Wochenende. Die Stadt und der Freistaat beteiligen sich mit jeweils 300 000 Euro daran. Vor allem die Werbewirks­amkeit der Veranstalt­ung hat es Oberbürger­meister Dirk Hilbert angetan: »Das ist gut angelegtes Geld«, glaubt der FDP-Politiker. Dresden werde sich auf besondere Weise »in Szene setzen« können. Wie der Veranstalt­er »CitySki GmbH« glaubt auch Hilbert, die Kunde von Dresdens Schönheit werde dank der Fernsehbil­der auf neue Art und Weise in der Welt verbreitet.

Auch Sachsens Innenminis­ter Roland Wöller ist begeistert von der historisch­en Kulisse mit Hof- und Frauenkirc­he. Langlauf in verschneit­en Nadelwälde­rn habe auch seinen Reiz, so der CDU-Mann: »Ich bin mir aber sicher, dass der herausrage­nde Blick auf Elbe und Dresdner Altstadt hier ganz neue Maßstäbe setzen wird.«

Doch derlei Begeisteru­ng wird nicht überall geteilt. Verschiede­ne CDULandtag­sabgeordne­te aus dem Erzgebirge äußerten schon im Vorfeld Unverständ­nis. Sie hätten Sachsens ersten Langlaufwe­ltcup seit 27 Jahren lieber in einer der echten Winterspor­tregionen des Freistaate­s gesehen, in Erzgebirge oder Vogtland. »Wenn ich mir vorstelle, dass Dres- den Schnee produziert und die Leute dann kommen, und sehen, dass alles künstlich ist, frage ich mich, ob das imagepräge­nd sein soll«, klagte Thomas Colditz aus Aue in den »Dresdner Neuesten Nachrichte­n«.

Das Thema Schnee und Nachhaltig­keit ist für viele ein Ärgernis. 2500 Kubikmeter wurden seit Wochen in einer Anlage am Dresdner Flughafen Dresden-Klotzsche vorproduzi­ert und mit LKWs an die Elbwiesen gekarrt. 1500 Kubikmeter Naturschne­e aus dem Erzgebirge wurden zusätzlich angeliefer­t. »Zusammen ergibt das die richtige Mischung« sagt Wettkampfl­eiter Georg Zipfel, der für die Streckenfü­hrung zuständig ist. Ein Spezialist­enteam aus dem Allgäu hat den Schnee zu einer bis zu 40 Zentimeter hohen Schneedeck­e zusammenge­schoben.

Doch Umweltschü­tzer sind entsetzt. »Über den Nonsens, einen Ski- weltcup dort durchzufüh­ren, wo kein Schnee liegt«, mache sich offenbar niemand Gedanken, erklärte Felix Ekardt, Vorsitzend­er des sächsi-

»Das ist gut angelegtes Geld.« Dirk Hilbert (FDP), Dresdner Oberbürger­meister

schen Landesverb­andes des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND). Ein Weltcup ohne Schneesich­erheit sei »nicht zeitgemäß«, kritisiert auch die Grünen-Landtagsab­geordnete Petra Zais.

André Schollbach, Fraktionsv­orsitzende­r der LINKEN im Dresdner Stadtrat, hat sich mit seinen Parteikoll­egen gegen die Förderung des Weltcups aus städtische­n Mitteln ausgesproc­hen – übrigens als einzige Fraktion im Stadtparla­ment, denn sogar die Dresdner Grünen sagten Ja zum Weltcupkon­zept.

Schollbach kann das nicht nachvollzi­ehen: »Es ist angesichts fehlender Mittel – beispielsw­eise im sozialen oder Bildungsbe­reich – unsinnig, mehr als eine eine halbe Million Euro aus Steuermitt­eln dafür auszugeben, dass Schnee erst kostenaufw­endig unter hohem Energieauf­wand produziert wird und dann mit DieselLast­ern teilweise durch ganz Sachsen hierher gebracht und an der Elbe ausgekippt wird«, so der LINKEN-Politiker. »Dresden ist eine Kunst- und Kulturstad­t, sie sollte ihre Stärken in den Vordergrun­d stellen. Die liegen nun mal nicht im Winterspor­t.« Nicht alles, was technisch und finanziell möglich ist, sei auch vernünftig.

Den Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Club ADFC in Dresden erregt vor allem die Sperrung einer wichtigen Radverbind­ung durch den Weltcup. Die Piste führt nämlich genau über den Elbe-Radweg, was die Weltcuporg­anisatoren zurecht als einen großen Vorteil in Sachen Nachhaltig­keit preisen, weil so keinerlei Bodenfläch­e für den Weltcup versiegelt werden muss. Insgesamt wird der betroffene Teil des Elbe-Radwegs einen ganzen Monat gesperrt bleiben

Dies ist allerdings auch der Tatsache geschuldet, dass die Skipiste nach dem Weltcup genutzt werden soll: Auf der Strecke sollen Schulsport­kurse und Nachwuchsw­ettkämpfe stattfinde­n. Auch Tobias Angerer, zweimalige­r Weltcup-Gesamtsieg­er, soll bei Schnupperk­ursen für Kinder dabei sein.

Überhaupt haben sich die Veranstalt­er Nachhaltig­keit auf ihre Fahnen geschriebe­n: Man binde regionale Handwerker und Dienstleis­ter ein, im Catering würden regionale Produkte verwendet, Mehrwegges­chirr und Pfandsyste­me kämen zum Einsatz und natürlich würde der Müll getrennt. Der Weltcup sei »ein nachhaltig gedachter Event«.

Zum Dresdener Skispektak­el sind hochkaräti­ge Langläufer aus aller Welt angereist: Der siebenfach­e Saisonsieg­er Johannes Kläbo und Sprintolym­piasiegeri­n Maiken Caspersen Falla aus Norwegen sind dabei, ebenso die Schwedin Stina Nilsson. »Die Läufer lieben die City-Weltcups«, sagt Wettkampfl­eiter Georg Zipfel. »Es ist einfach eine Abwechslun­g in einer Stadt zu starten.«

3000 zahlende Zuschauer werden an der Strecke erwartet, ein Tagesticke­t kostet 30 Euro. Am Wendepunkt des Rundkurses haben auch Zuschauer ohne Eintrittsk­arte Zutritt. Mit insgesamt 15 000 Besuchern rechnen die Organisato­ren.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert Canaletto-Blick mit Pistenbull­y: Spezialist­en aus dem Allgäu haben die Strecke mit einer Mischung aus Kunst- und Naturschne­e präpariert.

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