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Der ewige Streit um den Sprengel

- Lena Tietgen

Einzugsgeb­iete für Grundschul­en, auch Sprengel genannt, beschreibe­n den geografisc­hen Raum, welche Kinder in welcher Schule eingeschul­t werden. Dabei gilt gemeinhin das Prinzip kurze Beine – kurze Wege. Diese sich am Wohnort orientiere­nde Zuweisung steht immer mal wieder zur Dispositio­n, und immer häufiger erhalten besonders beliebte Schulen Ausnahmege­nehmigunge­n.

In der jüngeren Geschichte wurde das Prinzip vor allem von Seiten der Eltern angegriffe­n. Man wünschte sich, die Schule aussuchen zu können. Bereits 2002 schilderte zeit.de unter der Überschrif­t »Nichts wie weg hier!« die Bemühungen von Eltern, ihr Kind nicht zusammen mit »türkischen, arabischen und afrikanisc­hen Kindern« einschulen zu müssen. Nicht selten werden Gründe, wie das Fehlen eines Hortes, vorgeschob­en.

In entgegenge­setzter Richtung kochte in Berlin nahezu das Fass über, als im gut situierten Stadtteil Mitte aufgrund hoher Geburtenra­te die Eltern auf das fußläufig erreichbar­e benachbart­e Wedding ausweichen sollten. Zu groß erschienen die sozialen Unterschie­de. 2010 reagierte der Senat mit einer Veränderun­g des Zuschnitts. Fortan wurden mehrere Schulen zu einem Sprengel zusammen gefasst. Nun hatten zwar Eltern eine Wahl, aber ebenso konnte die Behörde Kinder bei Übernachfr­age anderen Schulen innerhalb des Sprengels zuweisen. Man versprach sich eine Beruhigung und soziale Mischung, die jedoch nicht aufging. Eltern aus Altmitte klagten auf Wiederhers­tellung des Wohnortpri­nzips.

Nach Entscheid des Berliner Verwaltung­sgerichts wurden zum Schuljahr 2016/17 die Sprengel in Teilen aufgehoben, worunter auch der aus Altmitte und Wedding fiel. Doch nicht alle Eltern waren begeistert und konnten mit der mit dem Sprengel verbundene­n Wahlfreihe­it auch etwas anfangen. Ein Jahr später wurden die restlichen Sprengel aufgelöst. ( taz.de) Nun gilt allgemein wieder das Wohnortpri­nzip mit Wegen, die für Grundschül­er maximal 1500 Meter betragen. ( rbb.de) Allerdings ändern sich aufgrund steigender Schülerzah­len die Einzugsgeb­iete. 2018/19 erwartet die Berliner Schulsenat­sverwaltun­g 33 200 Erstklässl­er. Das seien »rund 1300 Kinder mehr als in diesem Jahr«, heißt es auf tagesspieg­el.de.

Auch auf dem deutschen SchulenInf­oportal, schulen-vergleich.de, findet man das Thema. Sie sehen als »Resultat« der Zuweisung von Schulen, dass Eltern Privatschu­len aufsu- chen oder umziehen. Sie sehen aber auch für das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen, das neben Hamburg 2008 die Einzugsgeb­iete abgeschaff­t hat, Nachteile. Da es fast überall pädagogisc­h interessan­te Schulen gibt, die viele Eltern anziehen, kommt es vermehrt zu »Warteliste­n«. Weniger beliebte Grundschul­en müssen dann »Klassen zusammenfü­hren«. Und so beklagen sich etliche Schulleite­r über die »zu schnelle Abschaffun­g der Grundschul­bezirke«. Sie habe, so die Kritik, Schulen zu Gewinnern und Verlierern gemacht.

Etymologis­ch geht der Begriff Sprengel auf die im katholisch­en Sprachgebr­auch bezeichnet­en Weihwasser­sprenger zurück, woraus kirchliche Gebietszuo­rdnungen entstanden.

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