Buchmesse in der Diskussion
#VerlageGegenRechts: Mitinitiatorin Zoë Beck klärt auf der Leipziger Buchmesse im März über die Präsenz rechter Verlage auf
Auf der Leipziger Buchmesse werden wieder rechte Verlage ausstellen. Ihre Initiative #VerlageGegenRechts fordert die Veranstalter auf, sich zu demokratischen Grundsätzen wie der Meinungsfreiheit zu bekennen und Konsequenzen zu ziehen. Was meinen Sie damit?
Wir sind der Meinung, dass die Präsenz der rechten Verlage nicht einfach nur hingenommen werden sollte. Wir verstehen, dass die Messe keine Handhabe hat, diese auszuladen, aber trotzdem finden wir, dass man das nicht unwidersprochen lassen sollte. Und deshalb haben wir die Möglichkeit gesucht, auch unsere Meinung zu sagen.
Wie ist die Initiative #VerlageGe-genRechts überhaupt entstanden? Sie entstand eher spontan. 2016 wurden auf der Leipziger Buchmesse bei den stillen Protesten am Stand des »Compact«-Verlags ...
... eines Verlags, der politische Propaganda für AfD und Pegida betreibt.
Richtig. Also wir haben dort Schilder hochgehalten, auf denen »Verlage gegen Rechts« geschrieben stand. Gemeint war damit, dass wir kleinen unabhängigen Verlegerinnen und Verleger diese Präsenz von rechtem Gedankengut auf der Buchmesse nicht gut finden. Einige von den unabhängigen Verlagen, die der Meinung waren, dass es so nicht weitergehen kann und dass die Proteste 2017 nicht gut gelaufen sind, haben sich dann unter diesem Namen »Verlage gegen Rechts« zusammengetan.
Inwiefern sind die Proteste auf der Leipziger und der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr nicht gut gelaufen?
2017 war der »Compact«-Verlag auf der Leipziger Buchmesse vorbereitet. Ein Aktivist aus dem Umkreis von Pegida stellte sich auf einen Tisch und fing an, erst linke, dann rechte Parolen zu brüllen, um Verwirrung zu stiften. Wir haben den stillen Protest sehr schnell abgebrochen. Auch bei der Frankfurter Buchmesse hat sich gezeigt, dass Proteste direkt an den Messeständen oder während der Veranstaltungen die Aufmerksamkeit auf die rechten Verlage ziehen und diesen die Möglichkeit gibt, sich als Opfer zu inszenieren. Wir haben gemerkt, dass wir einen anderen Weg finden müssen. Da muss aufgeklärt werden, die Auseinandersetzung muss auf eine ganz anderen Art stattfinden.
Welchen anderen Weg wollen die #VerlageGegen Rechts bei der Leipziger Buchmesse im März einschlagen?
Wir haben zum einen eine Broschüre erstellt, in der beteiligte Verlage Publikationen vorstellen können, die eine andere Weltsicht zeigen. Diese Infomaterialien wollen wir in großem Umfang verteilen. Darin sollen Titel vorkommen, die darüber aufklären, wo die AfD und Pegida überhaupt herkommen. Aber auch Bücher sollen Teil der Broschüre sein, die ein Weltbild abbilden, das nicht rassistisch, frauen-, homo- oder transfeindlich ist. Zum anderen haben wir eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen mit Themen, die die Neue Rechte versucht, für sich einzunehmen und umzudeuten. Wie zum Beispiel die Meinungsfreiheit. Den Rechten geht es nicht um Meinungsfreiheit, sondern darum, keinen Widerspruch zu bekommen. Zu unserem Panel haben wir dazu unter anderen die Präsidentin des PEN Deutschland, Regula Venske, eingeladen. Wir planen aber auch eine Veranstaltung über den Holocaust und die Erinnerungskultur in Deutschland oder zum Thema »#MeToo« und dem Antifeminismus der Neuen Rechten.
Den Aufruf Ihrer Initiative haben mehr als 45 Verlage und 100 Einzelpersonen unterzeichnet. Darin erklären Sie, dass man nicht nur über Betroffene von Diskriminierung und Gewalt sprechen will, sondern auch mit ihnen. Spiegelt sich das bei den Referenten und Referentinnen der Diskussionsveranstaltungen wider?
Es sind Menschen mit Fluchterfahrungen und Betroffene von misogyner Gewalt für die Paneldiskussionen eingeladen. Auch eine Autorin mit aus Deutschland ausgewanderten jüdischen Großeltern wird über deren Erfahrungen im Ausland und den Blick auf Deutschland berichten.
Welche weiteren Kooperationen wird es im Rahmen der #VerlageGegenRechts auf der Leipziger Buchmesse geben?
Es kann sein, dass sich in den nächsten Wochen noch weitere ergeben. Einige Verbände sind auch bei den Erstunterzeichnenden des Aufrufs dabei. Sonst muss ich sagen, sind wir enttäuscht, dass viele mittelständische und große Verlage nicht Teil der Initiative sind. Wir haben einige angesprochen und die Rückmeldungen waren sehr schwammig. Kritisiert wurde, dass der Titel #VerlageGe-genRechts zu aggressiv sei. Oder dass es die Aufmerksamkeit zu sehr auf die rechten Verlage lenke, die man einfach ignorieren sollte.
Was steckt Ihrer Ansicht nach hinter dieser Haltung?
Ich glaube, dass viele ein Problem mit diesem »gegen« haben und lieber ein »für« wollen. Aus diesem Grund haben wir auch Lesezeichen »für Vielfalt«, »für Respekt« gedruckt. Einzelne Personen haben zudem gesagt, dass sie große Angst haben, ihren Namen unter unseren Aufruf zu setzen, weil sie Kinder haben und nicht bedroht werden wollen. Das ist, finde ich, eine sehr ernste Situation; es zeigt aber umso mehr, dass wir über Vieles reden und etwas unternehmen müssen.
Haben Sie keine Angst vor Bedrohungen und Angriffen von Rechts? Ich bin mit 14 zum ersten Mal von Neonazis angegriffen worden und ha- be auch schon Drohbriefe bekommen – natürlich habe ich Angst. Ich wohne in einer Gegend, in der mehrere Burschenschaften aktiv sind. Um die letzte Bundestagswahl herum sind diese Burschenschaften in voller Montur an den Häusern vorbeimarschiert und haben den Hitlergruß gezeigt. Dass es vielleicht nicht ganz kuschelig wird, ist mir klar. Aber ich möchte nicht aus Angst nichts tun und will auch keine Angst zeigen.
Sollte auf der Leipziger Buchmesse auch mit rechten Publizistinnen und Publizisten diskutiert werden?
Wir haben gesagt, mit den Demagogen reden wir nicht. Wenn sie Hetze publizieren oder Texte, die deutlich beleidigend sind oder schlicht Fakten pervertieren, dann weiß ich nicht, warum wir dem ein Forum geben sollten. Aber wir sind nicht gegen kontroverse Diskussionen. Das ist auch spannend für einen Verband wie den PEN, der für unbedingte Meinungsfreiheit einsteht. Aber auch er hat gesagt, dass es im deutschsprachigen Raum Grenzen geben muss.
Bis Ende Januar läuft eine Crowdfunding-Kampagne Ihres Aktionsbündnisses. Wofür sammeln Sie Geld?
Wir finanzieren damit einerseits die Infomaterialien. Im Moment machen wir das aus eigener Tasche. Wir würden andererseits aber gern den Menschen, die wir zu den Panels einladen, Reisekosten und Aufwandsentschädigungen zahlen können, wenn ihnen selbst die Mittel fehlen.
Wie soll es nach der Leipziger Buchmesse im März weitergehen? Hoffentlich können wir unsere Aktion im Herbst in Frankfurt am Main wiederholen. In Leipzig probieren wir aus, welche Veranstaltungen Zuspruch finden oder wo noch mehr Redebedarf ist.
Ich denke, dass es Interesse gibt und ich hoffe, dass sich daraus eine Zusammenarbeit entwickelt. Und natürlich machen wir das immer mit der Hoffnung, dass es irgendwann kein Thema mehr ist. Vielleicht weckt die aktuelle Situation die Menschen auf, die in einer Gleichgültigkeit versunken sind und jahrzehntelang unpolitisch waren. Es ist an der Zeit, dass wir uns mehr über die rechten Tendenzen aufregen und lauter werden.