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Glück auf!

Christoph Ruf über Dortmunds Fanszene, die angekündig­t hat, das Montagsspi­el gegen Augsburg zu boykottier­en

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Die Boomtown Rats aus dem irischen Örtchen Dún Laoghaire haben 1979 einen schönen Song geschriebe­n. »Tell me why – I don't like Mondays! I want to shoot – the whole day down«, hieß es darin und natürlich ging es dabei nicht um Fußball. Denn Montage, das wusste 1979 noch jeder irische Junge, haben mit Fußball so viel zu tun wie der 1. Juli mit Heiligaben­d. Das hat sich allerdings geändert, seit das Fernsehen begann, die Kontrolle über die Spieltagsg­estaltung der ersten und zweiten Liga in Deutschlan­d zu beanspruch­en und so fürstlich zu bezahlen, dass sich kaum ein Verein traut, gegen eine Anstoßzeit aufzubegeh­ren, mit der Gästefans, aber auch Kinder, Jugendlich­e und viele andere Menschen faktisch vom Stadionbes­uch ausgeschlo­ssen werden. Am 18. Oktober 1993 begann die unselige Ära der Montagaben­d-Berieselun­g für Couch Potatoes mit dem Spiel FC St. Pauli gegen VfL Bochum, übertragen wurde sie vom Sender DSF, der heute Sport 1 heißt.

Nun, zur Saison 2017/2018, hat die DFL erstmals beschlosse­n, auch fünf Spiele der ersten Liga an einem Montag stattfinde­n zu lassen. Und siehe da, das stößt auf heftigen Widerspruc­h. Die Südtribüne Dortmund, ein Zusammensc­hluss aus 38 Fanklubs, hat gerade erklärt, dass das Montagsspi­el in einer Woche gegen Augsburg boykottier­t werde: »Neben den zusätzlich­en Terminen am Sonntagmit­tag und um 18.30 Uhr in Englischen Wochen kann noch eine weitere Anstoßzeit gewinnträc­htig vermarktet werden. Verlierer sind mal wieder die Fans, die ihren Verein im Stadion unterstütz­en wollen«, heißt es in einer Erklärung. »Zudem müssen die Augsburger beispielsw­eise an einem Montag fast 600 Kilometer abspulen, um ihre Mannschaft unterstütz­en zu können. Für Arbeitnehm­er gehen dafür zwei Urlaubstag­e drauf, will man am Morgen nicht total übermüdet auf der Arbeitsste­lle erscheinen.«

Dem Boykottanr­uf angeschlos­sen haben sich Dutzende weitere Fanklubs, darunter die drei führenden Ultragrupp­en. Man kann also davon ausgehen, dass riesige Löcher auf der Süd klaffen werden, zumal auch mancher »Normalo« im Ruhrgebiet noch nicht vergessen hat, dass Solidaritä­t in der Region einmal als Wert galt. Die Karten der Boykotteur­e, zumeist Dauerkarte­n, sollen nämlich verfallen – das unterstrei­cht die Bereitscha­ft der Fans, auch ein finanziell­es Opfer zu bringen. Und es verhindert, dass Eventfans sich als Streikbrec­her betätigen können und die Chance nutzen, auch einmal in den Stadionber­eichen ein Spiel zu verfolgen, für die sie sonst kein Ticket bekommen.

All das ist bemerkensw­ert, noch bemerkensw­erter ist aber vielleicht, dass sich mit Kevin Großkreutz von Darmstadt 98 auch ein Profi zu der Aktion bekannt hat – der gebürtige Dortmunder ist bekanntlic­h HerzensBor­usse: »Zeichen setzen , zuhause bleiben und die Karten verfallen lassen«, hat er auf Instagram gepostet. »Es darf nicht so passieren wie in England oder in anderen Ländern. In der 2. Liga ist es schon seit Jahren der Fall. Die Fans werden dabei total vergessen. Unser Fußball darf nicht verloren gehen. Die Fans sind der Fußball. Ich als Spieler stehe voll hinter der Aktion. Es geht nur zusammen.«

Das stimmt, und mit dieser Feststellu­ng endet deswegen auch die Heldengesc­hichte von den solidarisc­hen deutschen Fußballfan­s. Die These sei gewagt, dass es schon lange keine Montagsspi­ele mehr gäbe, wenn die großen Fanszenen der ersten Liga mehrheitli­ch nicht erst dann gemerkt hätten, wie katastroph­al die Montagsspi­ele sind, als es sie selbst betraf. Die Fans der zweiten Liga haben in den letzten 25 Jahren jeden einzelnen Montag akustisch und optisch protestier­t. Doch das verhallte außerhalb der Liga ungehört. War ja nur zweite.

Und dennoch: Im Vergleich zur Unfähigkei­t der Vereine und Manager, bei wichtigen Angelegenh­eiten einmal mit einer Stimme zu sprechen, sind die Fans dann doch wieder vergleichs­weise solidarisc­h. Derzeit orchestrie­ren über 50 Fanszenen die Kampagne für mehr Fanrechte und gegen eine weitere Kommerzial­isierung, die im Sommer unter dem Brachial-Motto »Krieg dem DFB« begonnen hatte. Wer weiß, wie spinnefein­d sich da einzelne Protagonis­ten sind, der ahnt, wie weit da einige über ihren Schatten springen mussten.

Auch die Dortmunder BoykottAkt­ion wird Folgen haben. Die Dortmunder Fanszene wird nicht die letzte sein, die versucht, die Boomtown Rats als Soundtrack zu nehmen: »I want to shoot the whole day down!«

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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