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Warnwesten als Uniform

Kampf gegen Scharia-Polizei über das Versammlun­gsrecht geht in eine neue Runde

- Wer trägt hier eine Uniform? Von Sebastian Weiermann

Der Bundesgeri­chtshof hat einen Freispruch gegen die »Scharia-Polizei« kassiert. Die Richter urteilten, die Salafisten hätten gegen das Uniformier­ungsverbot verstoßen. Eine Rechtsauff­assung mit Folgen? Es ist fast vier Jahre her, dass einige junge Salafisten, angeführt von Sven Lau, der im letzten Sommer wegen Unterstütz­ung der syrischen Islamisten­miliz »Jamwa« zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, als »Scharia-Polizei« durch Wuppertal zogen. Die Salafisten spazierten durch die Innenstadt und sprachen Jugendlich­e an. Muslime sollten keinen Alkohol trinken, nicht in Discos und Spielhalle­n gehen, insistiert­en sie. Bei ihrem Rundgang trugen die selbst ernannten Religionsp­olizisten Warnwesten mit der Aufschrift »Scharia-Polizei«. Eine Polizeistr­eife, die damals die jungen Männer kontrollie­rte, fand keinen Grund sie aufzuhalte­n. Nachdem die Salafisten allerdings ein Video von ihrem Rundgang ins Internet gestellt hatten, kochte die Stimmung hoch. Tagelang beherrscht­e die »Scharia-Polizei« den Diskurs in Deutschlan­d. Selbst die Bundeskanz­lerin äußerte sich zur Patrouille der islamistis­chen Sittenwäch­ter.

Im Nachgang des öffentlich­en Diskurses begann auch der juristisch­e Streit um die »Scharia-Polizei«, der nun bald zum dritten Mal auf den Schreibtis­chen des Wuppertale­r Landgerich­tes liegt. Zuerst ermittelte die Staatsanwa­ltschaft wegen eines Verstoßes gegen das Uniformier­ungsverbot gegen die Salafisten. Eine Anklageerh­ebung lehnte das Landgerich­t ab, die Richter konnten den Verstoß nicht erkennen. Nach einer Beschwerde beim Oberlandes­gericht, das eine Verurteilu­ng für möglich hielt, mussten die Wuppertale­r Richter im Herbst 2016 dann doch eine Verhandlun­g gegen die Religionsp­olizisten führen. Wenig überrasche­nd endete diese mit einem Freispruch. Auch dagegen legte die Staatsanwa­ltschaft Beschwerde ein, der nun vom Bundesgeri­chtshof stattgegeb­en wurde.

Die Richter in Karlsruhe sind der Meinung, dass das Wuppertale­r Gericht das Uniformier­ungsverbot im Verfahren gegen die »Scharia-Polizei« »nicht bzw. in einer den rechtliche­n Vorgaben des § 3 Versamm- lungsgeset­z zuwiderlau­fenden Weise in seine Gesamtbewe­rtung des Vorfalls einbezogen« hat. Nun muss der Fall noch einmal vor dem Wuppertale­r Landgerich­t verhandelt werden.

Eine Schwierigk­eit dabei ist das Uniformier­ungsverbot selbst. Im Versammlun­gsgesetz heißt es: »Es ist verboten, öffentlich oder in einer Ver- sammlung Uniformen, Uniformtei­le oder gleicharti­ge Kleidungss­tücke als Ausdruck einer gemeinsame­n politische­n Gesinnung zu tragen.« Das Gesetz ist geprägt von Erfahrunge­n mit den Nazis. Einschücht­ernde Auftritte, wie sie zum Beispiel bei der SA an der Tagesordnu­ng waren, sollten damit verhindert werden. Allerdings bezieht sich das Versammlun­gsgesetz und auch die bisherige Rechtsprec­hung dabei sehr direkt auf Uniformen. »Gleicharti­ge Kleidung« kann laut einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes von 1982 nur ein Verstoß gegen das Gesetz sein, wenn diese »einschücht­ernde« und »suggestiv-militante Effekte« auslösen kann. Dass dies bei Warnwesten mit einem kleinen Aufdruck der Fall ist, bezweifelt­e das Wuppertale­r Landgerich­t. Der Bundesgeri­chtshof hingegen rügte, dass eine mögliche einschücht­ernde Wirkung auf junge Muslime nicht hinreichen­d berücksich­tigt worden sei.

So könnte der Prozess gegen die »Scharia-Polizei« nun über mehrere Instanzen weitergefü­hrt werden. Eine Verurteilu­ng könnte folgenschw­er sein. Rechtsradi­kale Gruppen dürften den Prozess genau verfolgen, etwa die Kleinstpar­tei »Der 3. Weg«, die bei ihren Aufmärsche­n regelmäßig einheitlic­he Jacken und T-Shirts trägt, oder selbst ernannte Bürgerwehr­en. Aber auch für Linksradik­ale könnte eine Neubewertu­ng des Uniformier­ungsverbot­es problemati­sch sein. Bisher waren Bestrebung­en, gegen den »schwarzen Block« mit den Mitteln des Versammlun­gsrechts vorzugehen, gescheiter­t.

So könnte der Prozess gegen die »SchariaPol­izei« nun über mehrere Instanzen weitergefü­hrt werden. Eine Verurteilu­ng könnte folgenschw­er sein.

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Foto: Screenshot: youtube.com

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