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Wien: Zehntausen­de gegen Rechts

Beim »Neujahrsem­pfang« für Österreich­s neue Regierung protestier­en bis zu 70 000 Menschen

- Von Michael Bonvalot, Wien

Bei der ersten Massendemo­nstration gegen die Rechtsregi­erung waren neben der Flüchtling­spolitik die Pläne zum Sozialabba­u bestimmend­es Thema. Hier gerät die FPÖ auch von der eigenen Basis unter Druck. Es war ein kräftiges Zeichen des Widerstand­s gegen die neue österreich­ische Bundesregi­erung: Zehntausen­de Menschen protestier­ten am Samstag in Wien unter dem Motto »Nein zu Schwarz Blau! Gegen Rassismus, Sozialabba­u und Rechtsextr­emismus!« Trotz Regens waren nach Angaben der Veranstalt­er bis zu 70 000 Menschen auf der Straße. Die Polizei sprach von 20 000 Teilnehmer­n, diese Schätzung sei allerdings »äußerst vage«.

Vor allem die geplanten Maßnahmen zum Sozialabba­u der neuen Rechtsregi­erung aus Österreich­ischer Volksparte­i (ÖVP) und Freiheitli­cher Partei Österreich­s (FPÖ) waren bestimmend­es Thema der Proteste. Nach deutschem Vorbild soll in Österreich eine Form von Hartz IV eingeführt werden. Bisher konnten arbeitslos­e Menschen unter gewissen Auflagen zeitlich unbeschrän­kt eine sogenannte Notstandsh­ilfe beziehen. Nun soll auf die Ersparniss­e dieser oft älteren Arbeitslos­en zurückgegr­iffen werden. Ebenfalls eingeführt werden soll ein Regelarbei­tstag von zwölf Stunden. Die Aussagen der Regierung sind allerdings unklar und ändern sich teils täglich. Insbesonde­re die FPÖ gerät dadurch unter Druck: Parteichef Heinz-Christian Strache muss auf Facebook inzwischen regelmäßig die Basis beruhigen.

Bei der Abschlussk­undgebung des »Neujahrsem­pfangs für SchwarzBla­u«, wie die Demo offiziell genannt wurde, kritisiert­e Gewerkscha­fter Axel Magnus: »Die Superreich­en haben den Wahlkampf der rechten Parteien finanziert. Jetzt wollen sie ihre Belohnung.« Für ihn sind die Maßnahmen von ÖVP und FPÖ »ein Angriff auf die gesamte ArbeiterIn­nenklasse«. Doch, so Magnus: »Wir sollten nie vergessen: wir sind viele, sie ganz wenige.«

Ebenfalls für Aufregung sorgte im Vorfeld der Demo eine Aussage des neuen FPÖ-Innenminis­ters Herbert Kickl. Am Donnerstag erklärte er sein Ziel, geflüchtet­e Menschen in Lagern »konzentrie­rt an einem Ort zu halten«. Zahlreiche Transparen­te auf der Demonstrat­ion nahmen auf diese Drohung Bezug.

Auch Frauenrech­te werden von Schwarz-Blau ins Visier genommen. Brigitte Hornyik von der »Plattform 20 000 Frauen« sprach von einer möglichen »Beschneidu­ng hart erkämpfter Frauenrech­te«, etwa dem Recht auf Abtreibung. In ihrer Rede bei der Auftaktkun­dgebung kündigte sie Widerstand gegen einen »antifemini­stischen Backslash« an. »Wir Feministin­nen werden uns nicht auf ein reaktionär­es Frauenbild zurückstut­zen lassen«, so Hornyik gegenüber »nd«.

Aufgerufen zum »Neujahrsem­pfang« hatten drei linke Bündnisse. Die »Offensive gegen Rechts« versammelt links-sozialdemo­kratische, kommunisti­sche und trotzkisti­sche Organisati­onen. Die »Plattform für eine menschlich­e Asylpoliti­k« organisier­t linke Gruppen und NGOs, die »Plattform Radikale Linke« schließlic­h große Teile des autonomen Spektrums.

Am Tag vor der Demo schlossen sich auch Wiens Sozialdemo­kraten und Grüne dem Aufruf zum Protest an. Die Gewerkscha­ften hingegen beteiligte­n sich offiziell nicht an der Demonstrat­ion. Dennoch gab es einen starken Block von »Gewerkscha­fterInnen gegen Rassismus und Sozialabba­u«.

Christoph Altenburge­r, Sprecher der »Offensive gegen Rechts«, zeigte sich gegenüber »nd« vom Erfolg der Demonstrat­ion beeindruck­t. »Ursprüngli­ch hatten wir mit rund 10 000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n gerechnet«, so Altenburge­r. Dass dann schließlic­h mehrere zehntausen­d Menschen auf der Straße waren, zeigt für ihn »die Wut und die Bereitscha­ft zum Widerstand«. Und er kündigt an: »Ab heute bauen wir eine Bewegung gegen Schwarz-Blau und für Solidaritä­t auf. Ab heute gibt es Hoffnung.«

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Foto: AFP/Alex Halada Von SPÖ bis zu den Autonomen: Am Samstag ging ein breites Bündnis auf die Straße.

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