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Präsident Zeman muss in die Stichwahl

Parteilose­r Drahos Herausford­erer in Tschechien

- Von Jindra Kolar, Prag

Die erste Runde der tschechisc­hen Präsidente­nwahlen endete, wie vorhergese­hen. Das amtierende­n Staatsober­haupt Milos Zeman zieht mit einem Gegenkandi­daten in die Stichwahl ein. Auch, dass dieser Gegenkandi­dat der 68-jährige Chemieprof­essor Jiri Drahos sein würde, überrascht nicht. Zwei Wochen haben die Kontrahent­en nun Zeit, die Stimmen zu gewinnen, die zum Beispiel an Pavel Fischer, Michal Horacek oder Marek Hilser gingen. Horacek, der als vierter der Erstrunde 9,18 Prozent der Stimmen erlangte, kündigte bereits an, in der folgenden Kampagne Drahos unterstütz­en zu wollen. Beobachter aus dem In- und Ausland geben dem ehemaligen Präsidente­n der Akademie der Wissenscha­ften durchaus reale Chancen, im Rennen gegen Zeman zu siegen.

Der amtierende Präsident Milos Zeman ist der erste der Tschechisc­hen Republik, der 2013 nach einer Verfassung­sänderung direkt vom Volk gewählt wurde. Der bodenständ­ige, häufig etwas polternde Politiker hat seinen Rückhalt eher in der ländlichen und kleinstädt­ischen Be- völkerung. Zeman führte eigentlich seit seinem Amtsantrit­t einen ständigen Wahlkampf. In den vergangene­n fünf Jahren bereiste er nahezu jeden Kreis der Republik, hörte sich die Sorgen und Wünsche seines Volkes an, versprach Abhilfe bei Problemen und Zustimmung zu Projekten.

Der Akademiepr­äsident trat politisch bislang nicht in Erscheinun­g. Beobachter meinen in Anspielung auf seinen Beruf, er habe ein Charisma wie »destillier­tes Wasser« – farb- und geschmackl­os. Doch dürfte Drahos vor allem die großstädti­schen und intellektu­ellen Wähler hinter sich bringen, jene, die eher dem bürgerlich­en Lager zuzuordnen sind. Sowohl als Regierungs­chef als auch im Präsidente­namt hat sich Zeman für eine Bindung an die EU ausgesproc­hen. Er gilt jedoch als ein Politiker, der sich vorrangig nach Osten orientiert. Zeman unterhält gute Beziehunge­n zu seinen Amtskolleg­en in Moskau und China und sieht eine erfolgreic­he Zukunft Tschechien­s eher in der Bindung an die östliche Welt. Gemeinsam mit seinen Amtskolleg­en des Visegrad-Gruppe lehnt der Präsident die Quotenrege­lung der EU-Flüchtling­spolitik ab.

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