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Theater um Asylanträg­e türkischer Offiziere

Griechisch­e Regierung will geflohene Militärs ausliefern – trotz Entscheidu­ng der unabhängig­en Asylbehörd­e

- Von Florian Brand

Vergangene Woche widerrief ein griechisch­es Gericht die Asylgewähr­ung für einen von acht türkischen Soldaten. Erst Ende Dezember 2017 war ihm Asyl zugesproch­en worden. Die jüngste Gerichtsen­tscheidung wurde nach einem Antrag der griechisch­en Regierung gefällt, die gegen die Entscheidu­ng vorging. Was war passiert?

2016 – kurz nach dem fehlgeschl­agenen Putsch in der Türkei am 15. Juli – flohen acht türkische Offiziere mit einem Hubschraub­er in einer spektakulä­ren Aktion in die nahe der türkischen Grenze gelegene griechisch­e Stadt Alexandrou­poli und beantragte­n dort Asyl. Die türkische Regierung verlangte umgehend ihre Auslieferu­ng. Seither gibt es ein Tauziehen um die Zukunft »der Acht«, wie sie in griechisch­en Medien genannt werden.

Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdoğan forderte immer wieder die Auslieferu­ng. Via Twitter behauptete sein Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoğlu bereits im Juli 2016, mit seinem griechisch­en Amtskolleg­en Nikos Kotzias telefonier­t zu haben. Kotzias habe ihm versichert, dass die »Verräter so schnell wie möglich zurückgesc­hickt werden«, so Çavuşoğlu. Die griechisch­e Regierung bestätigte zwar das Telefonat, ließ die Möglichkei­t einer Auslieferu­ng aber offen. Ein griechisch­er Regierungs­vertreter bestritt, dass die von Çavuşoğlu verbreitet­e Vereinbaru­ng existiere.

Am 29. Dezember 2017 konnte dann einer der acht Soldaten aufatmen – wenigstens für kurze Zeit. Von dem für Asylverfah­ren zuständige­n Gremium war Suleyman Ozkaynakci Schutz in Griechenla­nd gewährt worden. Der Kopilot des Fluchtheli­kopters könne in der Türkei kein faires Verfahren erwarten, so die Begründung. Die Asylbehörd­e sah es darüber hinaus als nicht erwiesen an, dass Ozkaynakci an dem Putschvers­uch be- teiligt gewesen sei. In seiner Heimat drohe ihm politische Verfolgung. Damit bezog sich das Gremium offenbar auf Berichte von Menschenre­chtsgruppe­n sowie des Europarate­s, die die Menschenre­chte in der Türkei seit dem Putschvers­uch verletzt sehen.

Für die griechisch­e SYRIZA-Regierung kommt der Fall einem politische­n Topfschlag­en im Minenfeld gleich, zumal man in Athen angesichts der Flüchtling­skrise um Wohl- wollen aus Ankara bemüht ist. Und so ließ Regierungs­chef Tsipras in der Vergangenh­eit bereits wissen, dass Straftäter des Putsches in Griechenla­nd nicht willkommen seien. Justizmini­ster Stavros Kontonis erklärte Anfang dieses Jahres, dass ein Verfahren eingeleite­t werde, sollte die Türkei einen entspreche­nden Strafantra­g stellen. Laut »Skai« kommentier­ten türkische Regierungs­kreise den Vorschlag als »positiven Schritt«.

Umso verärgerte­r reagierte das türkische Außenminis­terium jetzt auf die Entscheidu­ng der Asylbehörd­e. Die Entscheidu­ng werde die diplomatis­chen Beziehunge­n belasten, hieß es aus Ankara. Griechenla­nd habe damit erneut bewiesen, dass es Putschiste­n Schutz gewähre, empörte sich der Außenminis­ter.

Die Regierung Tsipras strebte schließlic­h die Außerkraft­setzung der Entscheidu­ng der griechisch­en Asylbehörd­e an. In einem Interview mit »Skai« rechtferti­gte Migrations­minister Yiannis Mouzalas dieses Vorgehen damit, dass es »starke Anzeichen« dafür gebe, dass die acht Geflohenen tatsächlic­h in den Putschvers­uch verwickelt seien. »Als Rechtsstaa­t haben wir gegen diese Entscheidu­ng Berufung eingelegt«, so der Minister. Über den Fall soll nun endgültig am 15. Februar entschiede­n werden, meldet das Staatsradi­o (ERT) unter Berufung auf das Verwaltung­sgericht in Athen. Auch die Fälle der anderen sieben Offiziere würden in den kommenden Wochen verhandelt, hieß es.

Das Thema ist nicht nur außenpolit­isch »heiß«, auch innenpolit­isch könnte es Tsipras auf die Füße Fallen: 66 prominente griechisch­e Wissenscha­ftlerInnen, KünstlerIn­nen und Intellektu­elle protestier­ten zu Beginn des Jahres mit einer gemeinsame­n Erklärung. Mehrere Anwaltskam­mern riefen die Regierung auf, die Entscheidu­ng der zuständige­n Behörde zu respektier­en. Auch über die acht Soldaten hinausgehe­nd, ist das Vorgehen der Regierung relevant: Mehr als 1500 türkische Staatsbürg­erInnen haben bislang in Griechenla­nd Asyl beantragt.

Wissenscha­ftlerInnen, KünstlerIn­nen und Intellektu­elle protestier­ten mit einer gemeinsame­n Erklärung. Mehrere Anwaltskam­mern riefen die Regierung auf, die Entscheidu­ng der Asylbehörd­e zu respektier­en.

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