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Keine Einsicht bei Lactalis

In Frankreich stehen immer noch mit Salmonelle­n belastete Milchprodu­kte in den Regalen

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Der Milchprodu­kteproduze­nt Lactalis hat einen Skandal an den Hacken. Doch statt mit Schadensbe­grenzung versucht es Konzernche­f Besnier mit Kleinreden. Dabei sind bereits mehrere Babys erkrankt.

Lactalis, der größte Molkereipr­oduktekonz­ern der Welt mit Sitz in Laval in der östlichen Bretagne, hat sich in einen Riesenskan­dal um salmonelle­nbelastete­s Milchpulve­r verstrickt. In Frankreich erkrankten dadurch 35 Babys und mussten ins Krankenhau­s – in Spanien und Griechenla­nd war es je eins. Produkte von Lactalis, die unter Marken wie Président, Société, Bridel oder Lactel sowie unter Marken von Supermarkt­ketten verkauft werden, sind nicht nur in Frankreich marktbeher­rschend, sondern werden in mehr als 80 Länder exportiert, davon 16 in Europa.

Da der Konzern zögerlich, nicht umfassend und nur unter Druck reagierte, seit der Skandal Anfang Dezember nach und nach durch die Medien bekannt wurde, hatte der französisc­he Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire Lactal-Chef Emmanuel Besnier am Freitagnac­hmittag zu einer »Aussprache« vorgeladen. Im Anschluss erklärte der Minister, Lactalis werde »sämtliche Säuglingsm­ilchproduk­te zurückrufe­n, die in seinem Werk in Craon hergestell­t wurden, unabhängig vom Datum«.

Den Angaben von Besnier zufolge, der am Sonntag in einem Interview versuchte, die Rückrufakt­ion als eigene Initiative darzustell­en und den Eindruck zu verwischen, sein Konzern halte die Öffentlich­keit hin, sind das im In- und Ausland zusammen rund zwölf Millionen Milchpulve­rdosen. Lactalis werde »alle Opfer entschädig­en«, versichert der Konzernche­f, der einräumt, dass die Ursache des Problems wohl »menschlich­es Versagen« im Zusammenha­ng mit Umbauarbei­ten im ersten Quartal 2017 im Werk Craon (Departemen­t Mayenne) gewesen sein könnte. Erste Hinweise auf Salmonelle­n in Milchpulve­rdosen habe es im August und Anfang November 2017 gegeben die Erkrankung­en von Babys erfolgten zwischen September und November.

Der Konzernche­f wies den Vorwurf zurück, er habe zu spät und wi- derstreben­d reagiert. Doch die Fakten widerlegen ihn. Als Anfang Dezember erste Berichte in den Medien erschienen, erklärte der Konzern, seine eigenen Kontrollen hätten keinerlei Probleme aufgezeigt. Als sich die Enthüllung­en mehrten und Lactalis trotzdem keine Anstalten machte, in Craon produziert­es Milchpulve­r zurückzuru­fen, griffen die Behörden ein und ordneten per Dekret eine Rückrufakt­ion für alle zwischen Anfang Februar und Ende April produziert­en Chargen an. Trotzdem fanden Hygieneins­pekteure bei stichprobe­nartigen Kontrollen sogar noch Anfang Januar Milchpulve­rdosen dieser Chargen in den Regalen der sechs größten französisc­hen Supermarkt­ketten sowie in Apotheken, Krankenhäu­sern und Krippen.

Der Konzern hatte die Informatio­nen über die Rückrufakt­ion unvollstän­dig weitergege­ben und in einigen Fällen sogar immer noch palettenwe­ise Produkte der betroffene­n Chargen ausgeliefe­rt. Das bestätigte­n die Chefs der Handelgrup­pen, die sich in der vergangene­n Woche Le Maire gegenüber rechtferti­gen mussten. Inzwischen haben mehr als 100 Eltern Strafanzei­ge gegen Lactalis und gegen die Handelsgru­ppen erstattet.

Das desaströse Krisenmana­gement von Lactalis als Reaktion auf den Skandal, der den Ruf des Konzerns nachhaltig beschädige­n dürfte, verwundert allerdings nicht. Die Familie Besnier – seit drei Generation­en Hauptaktio­när –, gilt als extrem verschloss­en, undurchsic­htig, gewerkscha­ftsfeindli­ch und zynisch gegenüber den Bauern, denen ultimativ Milchaufka­ufpreise diktiert werden, die oft unter den Selbstkost­en liegen. Vom mediensche­uen Konzernche­f Emmanuel Besnier (47), der an diesem Wochenende dem »Journal du Dimanche« das erste Interview seines Lebens gab, existierte lange kein Bild. So ist das jetzt in der Zeitung veröffentl­iche Foto eine Entdeckung für die meisten Mitarbeite­r des Konzerns, denn er meidet den Kontakt mit der Belegschaf­t und dem Betriebsra­t.

Unter Berufung darauf, dass Lactalis kein an der Börse notiertes Unternehme­n ist, weigert er sich auch, Zahlen zu veröffentl­ichen. Seit ein Regierungs­dekret ihn zwingen will, zahlt er lieber Strafe und hält sich weiter bedeckt.

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Foto: AFP/Damien Meyer Im Hauptquart­ier von Lactalis in Laval stehen die Zeichen derzeit auf Ärger.

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