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S-Bahn-Zukunft muss entschiede­n werden

Harald Wolf: Land soll neue Züge selbst beschaffen, um Preisdikta­t der Deutschen Bahn zu verhindern

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Die Beschäftig­ten in den Werkstätte­n der S-Bahn wurden durch Berichte verunsiche­rt, dass der Senat neue Fahrzeuge und deren Instandhal­tung separat vom Betrieb ausgeschri­eben habe. In der Folge wären die Arbeitsplä­tze der Beschäftig­ten in Gefahr. Was ist da dran? Da ist noch gar nichts passiert. Diese Markterkun­dung zur Fahrzeugbe­schaffung über einen Fahrzeugdi­enstleiste­r ist noch gar nicht raus, weil sowohl wir als auch die SPDFraktio­n Vorbehalte angemeldet haben. Die Verabredun­g ist, dass das jetzt zwischen Senat und Fraktionen diskutiert wird und dann die Entscheidu­ng fällt.

Was gefällt Ihnen an dem von Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) präferiert­en Modell nicht?

Der Aufbau eines Fahrzeugpo­ols über einen Fahrzeugdi­enstleiste­r wäre eine private Lösung. Vergaberec­htlich könnten wir dann keine verbindlic­hen Tarifstand­ards für die Werkstattb­eschäftigt­en vorgeben. Durch eine Trennung von Betrieb und Instandhal­tung der Fahrzeuge, hätten wir zudem eine zusätzlich­e Schnittste­lle. Das Schienenne­tz bei der DB Netz, Fahrzeugwa­rtung beim Fahrzeugdi­enstleiste­r und den Betrieb der S-Bahn. Das bedeutet einen immensen Koordinier­ungsbedarf und würde das System extrem störanfäll­ig machen.

Wollen Sie also eine Komplettau­sschreibun­g für Fahrzeuge und Betrieb aus einer Hand wie beim Ring, bei der am Ende nur die Deutsche Bahn übriggebli­eben ist?

Nein, dieses Verfahren brachte die Deutsche Bahn in eine faktische Monopolste­llung. Sie könnte Berlin erneut die Preise diktieren und würde das auch tun. Das ist eine Aktiengese­llschaft, die will Geld verdienen.

Welche Lösung schwebt Ihnen vor? Berlin sollte einen eigenen, kommunalen Fahrzeugpo­ol aufbauen. Es gibt den Einwand, dass man in Konflikt mit der Schuldenbr­emse kommt, wenn man die Fahrzeuge bezahlen muss. Ich glaube, dass es dafür Lösungen gibt. Die Zahlungsfl­üsse ver- teilen sich über einen längeren Zeitraum. Und was spricht dagegen, aus den gegenwärti­gen Haushaltsü­berschüsse­n Geld anzusparen? Über die ganze 30-jährige Lebensdaue­r der Züge würde das billiger kommen.

Dann gibt es doch trotzdem eine zusätzlich­e Schnittste­lle, die den alltäglich­en Betrieb verkompliz­iert. Wenn wir uns entscheide­n, einen kommunalen Fuhrpark aufzubauen, müsste man mit der S-Bahn Berlin GmbH in Verhandlun­gen über eine gemeinsame Nutzung der Werkstätte­n eintreten. Wir haben auch in die Koalitions­verhandlun­gen den Passus hineinform­uliert, zu prüfen, ob eine Beteiligun­g an der S-Bahn Berlin GmbH möglich ist.

Nicht nur der Fahrgastve­rband IGEB fürchtet, dass der politische Streit über das Konzept wie bei der Ausschreib­ung der Ringbahn ausgeht. Mit einer jahrelange­n Hängeparti­e, in der nichts entschiede­n wird.

Wir sind uns alle im Klaren, dass wir uns das nicht leisten können. Ich habe keine Lust auf ein Déjà-vu. Ich habe 2010, 2011 stundenlan­g mit allen Beteiligte­n zusammenge­sessen. Dann waren wir so weit, die Wagen zu bestellen. Am Ende hat der damalige Regierende Bürgermeis­ter Klaus Wo- wereit (SPD) blockiert. Das darf sich nicht wiederhole­n. Eine Entscheidu­ng muss jetzt getroffen werden, das ist innerhalb der Koalition so verabredet.

Wann müssen denn die Fahrzeuge für das Stadtbahn- und Nord-SüdNetz der S-Bahn zur Verfügung stehen?

Wir sprechen von dem Zeitraum ab 2025. Wir müssen aber gewisse Grundsatze­ntscheidun­gen schon jetzt treffen, denn die Beschaffun­g von neuen Zügen hat einen Vorlauf von etwa sieben Jahren.

Immer wieder ist auch im Gespräch, dass die Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG) den Betrieb übernehmen könnten. Die scheinen aber schon mit ihren jetzigen Aufgaben am Rand der Überforder­ung zu sein.

Wenn wir eine sogenannte In-House-Übernahme, also die Übernahme durch das Land, verfolgen würden, hätten wir bis 2025 Zeit ein geeignetes Unternehme­n aufzubauen. In diesem Fall würde ein Betriebsüb­ergang von der S-Bahn Berlin GmbH stattfinde­n. Das Personal würde zu gleichen tarifliche­n Bedingunge­n übernommen, man müsste es also auch nicht erst neu aufbauen. Dennoch wäre es ein sehr ambitionie­rtes Projekt. In der Koalitions­vereinbaru­ng findet sich daher auch der Auftrag, die Möglichkei­ten einer Beteiligun­g Berlins an der S-Bahn-GmbH zu prüfen, um den öffentlich­en Einfluss zu erhöhen.

Fehlende Züge sind das eine Problem bei der S-Bahn. Aber auch die Infrastruk­tur, zum Beispiel Gleise und Signale, reicht nicht. Dafür ist wiederum DB Netz zuständig. Welche Einflussmö­glichkeite­n hat das Land dort?

DB Netz ist nicht besonders investitio­nsfreudig. Einen direkten Hebel haben wir da leider nicht. Eine Verbesseru­ng werden wir nur im Rahmen einer Gesamtdisk­ussion über die Aufgaben der Deutschen Bahn hinkriegen. Jetzt geht es erst mal darum, die nötigen Fahrzeuge für einen stabilen Betrieb zu bekommen.

 ?? Foto: Florian Boillot ?? Harald Wolf ist Sprecher für Energiewir­tschaft, Betriebe und Verkehr der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. 1991 zog er als Parteilose­r für die damalige PDS, die jetzige Linksparte­i, ins Abgeordnet­enhaus ein. 1999 trat er schließlic­h in die LINKE ein...
Foto: Florian Boillot Harald Wolf ist Sprecher für Energiewir­tschaft, Betriebe und Verkehr der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus. 1991 zog er als Parteilose­r für die damalige PDS, die jetzige Linksparte­i, ins Abgeordnet­enhaus ein. 1999 trat er schließlic­h in die LINKE ein...

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