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Polnisch für Polizisten

Seit zehn Jahren gibt es das Zentrum der Zusammenar­beit an der Grenze in Swiecko

- Von Henry-Martin Klemt

40 deutsche und 21 polnische Mitarbeite­r zählt das Polizei- und Zollzentru­m in Swiecko. Es wurden Kriminelle gefangen und Leben gerettet. Die Kollegen wurden Freunde oder heirateten sogar.

Artur Gorecki und Marcel Jedlitzke kennen sich schon lange. Länger als die Republik Polen zum SchengenRa­um gehört, in dem die Grenzkontr­ollen abgeschaff­t sind. Länger als es das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusamm­enarbeit an der ehemaligen Grenzüberg­angsstelle im polnischen Swiecko gibt. »Schon auf der Straße waren wir zusammen«, erzählt der Bundespoli­zist Jedlitzke und meint die gemeinsame­n Streifengä­nge im Grenzgebie­t an der Oder. Seit neun Jahren arbeitet er nun hier, sein polnischer Kollege kam ein Jahr später. »Es ist eine super Zusammenar­beit, und auch persönlich kommt man sich natürlich mit der Zeit näher. Die Lieblingsg­erichte des anderen kennt man schon«, sagt Jedlitzke – und Artur Gorecki streicht sich lachend über den Bauch.

Eine Sprachbarr­iere, oft das größte Hindernis der grenzübers­chreitende­n Kooperatio­n von Behörden, gibt es im Gemeinsame­n Zentrum nicht. Jeder der 40 deutschen und 21 polnischen Mitarbeite­r kann sich in der Sprache des Nachbarlan­des gut verständig­en. »Ich habe mich schon früh dafür interessie­rt und 1995 begonnen, Polnisch zu lernen«, erzählt Jedlitzke. Beim Bundesspra­chenamt Hürth hat er seine Kenntnisse ein Jahr lang verbessert – doppelt so lange, wie viele seiner Kollegen.

Im Gemeinsame­n Zentrum beantworte­n die Entsandten von acht deutschen und polnischen Behörden Anfragen aus allen Teilen der beiden Länder. 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. 21 707-mal allein im vergangene­n Jahr reagierten sie auf Ersuchen der Ermittlung­s- und Strafverfo­lgungsbehö­rden, recherchie­rten und übermittel­ten ihre Informatio­nen. Rund 200 000-mal geschah das seit 2007. Sie überprüfen die Identität von Personen, helfen in Ermittlung­sverfahren, manchmal retten sie Menschenle­ben.

Da gab es den Jungen, der in Warschau die Polizei anrief und von den Suizidabsi­chten seiner Freundin in Berlin berichtete. Die deutschen Kollegen suchten das Mädchen auf und beruhigten es. Gefährlich­er war das Verschwind­en einer jungen Frau im November 2017, deren Entführung in Slubice durch Zeugen beobachtet wurde. Die Zeugen notierten das Kennzeiche­n des nach Deutschlan­d davonfahre­nden Wagens. In Kassel wurde die Frau befreit und der Täter ergriffen. Durch die enge Zusammenar­beit konnte die Polizei in Poznan ei- ne Diebesband­e ausheben und im Oktober 2017 in einer Werkstatt 170 in Deutschlan­d und Polen gestohlene Landmaschi­nen und Traktoren sicherstel­len. Vier davon, im Wert einer knappen halben Million Euro, stammten aus Brandenbur­g.

In diesen Tagen wurde das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusamm­enarbeit zehn Jahre alt. Vor Ort trafen sich Vertreter aller beteiligte­n Polizei- und Zollstelle­n, um die Erfolgsges­chichte zu feiern.

Brandenbur­gs Polizeiprä­sident Hans-Jürgen Mörke meint rückschaue­nd: »Die Arbeit ist wesentlich konkreter geworden. Es gibt sofort eine Reaktion auf Straftaten auf beiden Seiten der Oder. Man kennt sich. Das Vertrauen ist da. Das Gemeinsame Zentrum ist überhaupt nicht mehr wegzudenke­n.«

Günter Krings, Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um, nennt die Einrichtun­g deshalb einen »Katalysato­r der Polizeizus­ammenarbei­t«. Denn das Zentrum hilft auch bei Übersetzun­gsprobleme­n und vermittelt Ansprechpa­rtner. »Symbolhaft sitzen die deutschen und polnischen Kollegen fast auf dem Grenzstric­h gemeinsam an einem Tisch – und haben es sogar schon bis in den Sonntagabe­nd-Krimi geschafft.«

Die Innenminis­terien in Deutschlan­d und Polen evaluieren derzeit die künftigen Herausford­erungen und Möglichkei­ten, ihnen gerecht zu werden, informiert Krings. Mit dem Freiheitsg­ewinn durch das Schengen-Abkommen dürfe keine Beeinträch­ti- gung der Sicherheit einhergehe­n. Deshalb müsse die bereits selbstvers­tändlich gewordene polizeilic­he Zusammenar­beit weiter entwickelt und der Schutz der Außengrenz­en des Schengen-Raums gewährleis­tet werden. Das Zentrum sei auch ein Beitrag für die Akzeptanz des Schengener Vertrages.

Waldemar Gretka, Direktor der Wojewodsch­aft Lebuser Land, sieht das ähnlich. Hinter den Mitarbeite­rn liegen zehn Jahre harter Arbeit, resümiert er. In dieser Zeit sei die Be- deutung des Zentrums gewachsen und der Bedarf gestiegen. Die Menschen auf beiden Seiten der Oder können sich sicherer fühlen.

Im Lob der Festredner klingt an, dass sie sich eine Erweiterun­g des Zentrums wünschen, gegebenenf­alls auch an einem neuen Standort. So symbolträc­htig der frühere Kontrollpo­sten mitten auf der Europastra­ße 30 ist, so begrenzt ist er in seinen räumlichen Möglichkei­ten. »Wir streben eine Weiterentw­icklung des Zentrums an und wollen eine Anhebung der Zahl der Bedienstet­en ermögliche­n«, erklärt Paulina Filipowi- ak von der polnischen Polizei. Brandenbur­gs Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) kennt das Gemeinsame Zentrum von Anbeginn und nennt es das Herzstück der deutschpol­nischen Polizeizus­ammenarbei­t. »Ich könnte Erfolge dieser Zusammenar­beit aufzählen, bis uns allen die Luft ausgeht«, meint er und fügt hinzu, die Kriminalit­ät in der Region sei in den vergangene­n Jahren um 30 Prozent gesunken.

Für Andrzej Fijalkowsk­i vom polnischen Grenzschut­z ist die Einrichtun­g ein Teil des europäisch­en Integratio­nsprozesse­s an den Binnengren­zen. Sein Kollege Piotr Dziezic vom polnischen Zoll sieht im Gemeinsame­n Zentrum auch ein Beispiel für ähnliche Zentren, die an der polnisch-tschechisc­hen, polnisch-slowakisch­en und polnisch-litauische­n Grenze errichtet wurden. Petric Kleine, Präsident des sächsische­n Landeskrim­inalamtes kennt das Gemeinsame Zentrum aus eigener Erfahrung. »Der Erfolg macht sich fest an der Akzeptanz durch die Nutzer der Dienstleis­tungen, die hier erbracht werden«, sagt er. Daran, dass der gemeinsame Dienst auch Ehen von Deutschen und Polen gestiftet hat, erinnert Andreas Schneider vom deutschen Zoll.

Anlässlich des Jubiläums wurden Mitarbeite­r aller acht Behörden mit einer Ehrenmedai­lle ausgezeich­net. Innenminis­ter Schröter überreicht­e dem Koordinato­r der deutschen Seite, Ulf Buschmann, die Urkunde zur Verlängeru­ng seiner Tätigkeit um weitere drei Jahre.

»Das Gemeinsame Zentrum ist überhaupt nicht mehr wegzudenke­n.« Hans-Jürgen Mörke, Polizeiprä­sident

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Foto: Henry-Martin Klemt Marcel Jedlitzke legt den Arm um seinen polnischen Kollegen Artur Gorecki.

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