SV Babelsberg steigt auf und LINKE regiert
Die Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth hat eine Vision für die Stadt Potsdam. Die LINKE nominierte die Parteilose am Sonnabend zu ihrer Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl.
Die Stadt Potsdam im Jahr 2026: Wohnen ist für alle bezahlbar. Alle Verwaltungsanliegen können digital erledigt werden, aber für diejenigen, die das nicht können oder wollen, gibt es Ansprechpartner. Das Nahverkehrssystem ist gut ausgebaut und klimafreundlich. Die Fußballmannschaft des SV Babelsberg 03 spielt mindestens in der zweiten Liga.
Das ist Zukunftsmusik, die großartig klingt – komponiert von der Gleichstellungsbeauftragten Martina Trauth. Wer möchte, dass ihre Ideen Wirklichkeit werden, der kann bei der Oberbürgermeisterwahl am 23. September für Trauth stimmen. Die LINKE nominierte die 53-Jährige am Sonnabend. Bei einer Gesamtmitgliederversammlung des Kreisverbandes gab es 111 Stimmen für Trauth – bei sieben Gegenstimmen und vier Enthaltungen. »Ich bin überwältigt von dem großen Rückhalt«, reagierte die Nominierte auf das Ergebnis.
Zuvor gab es im HumboldtGymnasium allerdings eine heiße Debatte über den Antrag, die LINKE solle auf eine eigene Kandidatin verzichten und stattdessen Lutz Boede unterstützen, den Bewerber der linksalternativen Stadt- fraktion »Die Andere«. Dieses Ansinnen wurde jedoch mit 109 zu 13 Stimmen bei sechs Enthaltungen zurückgewiesen. Boede steht unter anderem für den Kampf gegen den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche.
Doch in ihrer Bewerbungsrede versicherte Trauth genauso, mit ihr als Oberbürgermeisterin werde Potsdam kein »neopreußisches Disneyland«. Die Gleichstellungsbeauftragte bot den versammelten Sozialisten das Du an, da sie gelernt habe, dass dies unter Genossen so üblich sei. Sie sei zwar parteilos und wolle es vorerst bleiben, da sie nicht mit allen Vorstellungen der Linkspartei übereinstimme. Sie sei aber nicht unparteiisch. In ihrem Heimatdorf in Rheinland-Pfalz sei ihre Mutter als Geschäftsfrau eine der wenigen Mütter gewesen, die in Vollzeit berufstätig waren. »Das hat mich wesentlich geprägt, denn es zeigte mir schon sehr früh, dass Frauen genauso beruflichen Erfolg haben können wie Männer«, erzählte Trauth mit Blick auf die Tatsache, dass Frauen in Politik und Wirtschaft leider bis heute nicht gleichberechtigt sind. Die Linksfraktion im Stadtparlament habe sich immer für Gleichstellung eingesetzt, begründete Trauth, warum sie auf das Angebot einging, für die LINKE in die Oberbürgermeisterwahl zu ziehen.
Die 53-Jährige dankte dem früheren Kreisvorsitzenden Sascha Krämer, der sie angesprochen hatte. Krämer lebt inzwischen für zwei Jahre in Südafrika, wo seine Frau für die FDP-nahe FriedrichNaumann-Stiftung arbeitet. Aus der Ferne schickte Krämer die Bemerkung: »Wir haben mit Martina Trauth eine Kandidatin, mit der wir unsere Vision von einem Potsdam mit allen für alle umsetzen können.«
Es war im Prinzip keine schlechte Idee, dass die LINKE auf einen eigenen Kandidaten bei der Potsdamer Oberbürgermeisterwahl verzichten und Lutz Boede unterstützen sollte. Das wäre ein deutliches Zeichen gegen umstrittene Projekte wie den Wiederaufbau der Garnisonkirche und den laufenden Abriss der alten Fachhochschule gewesen.
Lutz Boede hat sich in Potsdam einen Namen gemacht: Als Hausbesetzer, als Aktivist der Kampagne gegen Wehrpflicht, als Kommunalpolitiker der linksalternativen Stadtfraktion »Die Andere«. In der Berufsschule schrieb er einst an Klotüren Gedichte gegen das Wahlsystem in der DDR und gegen die Wehrpflicht. Er landete in Untersuchungshaft beim Ministerium für Staatssicherheit. Wegen »öffentlicher Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole« wurde er zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Man legte ihm die Ausreise nahe. Doch er wollte in der DDR bleiben. Nach der Wende schlug er vor, Stasiopfer wie er sollten ihre Haftentschädigung in einen Fonds einzahlen, aus dem die Arbeit gegen Geheimdienste heute finanziert wird.
Dennoch: Es wäre seltsam gewesen, wenn die stärkste politische Kraft in der Stadt auf einen eigenen Personalvorschlag verzichtet hätte, zumal ihre Kandidaten Rolf Kutzmutz und HansJürgen Scharfenbergbei früheren Oberbürgermeisterwahlen ihre SPD-Konkurrenten fast bezwungen hätten.
Die jetzt von der Linkspartei nominierte Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth ist nicht sehr bekannt. Im Wahlkampf wird es vor allem darum gehen, diese Frau und ihre Vision für Potsdam vorzustellen. Die Bewerberin hat aber das Potenzial, auch von Anhängern der SPD und der Grünen gewählt zu werden, auch von Menschen, die für die Barockarchitektur der Garnisonkirche schwärmen, und die erkennen, dass Trauth für notwendige Problemlösungen als Rathauschefin geeignet wäre. Darum hat sie die Chancen auf einen Sieg, die Lutz Boede nicht hat. Darum ist sie die richtige Wahl.