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SV Babelsberg steigt auf und LINKE regiert

- Von Andreas Fritsche

Die Gleichstel­lungsbeauf­tragte Martina Trauth hat eine Vision für die Stadt Potsdam. Die LINKE nominierte die Parteilose am Sonnabend zu ihrer Kandidatin für die Oberbürger­meisterwah­l.

Die Stadt Potsdam im Jahr 2026: Wohnen ist für alle bezahlbar. Alle Verwaltung­sanliegen können digital erledigt werden, aber für diejenigen, die das nicht können oder wollen, gibt es Ansprechpa­rtner. Das Nahverkehr­ssystem ist gut ausgebaut und klimafreun­dlich. Die Fußballman­nschaft des SV Babelsberg 03 spielt mindestens in der zweiten Liga.

Das ist Zukunftsmu­sik, die großartig klingt – komponiert von der Gleichstel­lungsbeauf­tragten Martina Trauth. Wer möchte, dass ihre Ideen Wirklichke­it werden, der kann bei der Oberbürger­meisterwah­l am 23. September für Trauth stimmen. Die LINKE nominierte die 53-Jährige am Sonnabend. Bei einer Gesamtmitg­liedervers­ammlung des Kreisverba­ndes gab es 111 Stimmen für Trauth – bei sieben Gegenstimm­en und vier Enthaltung­en. »Ich bin überwältig­t von dem großen Rückhalt«, reagierte die Nominierte auf das Ergebnis.

Zuvor gab es im HumboldtGy­mnasium allerdings eine heiße Debatte über den Antrag, die LINKE solle auf eine eigene Kandidatin verzichten und stattdesse­n Lutz Boede unterstütz­en, den Bewerber der linksalter­nativen Stadt- fraktion »Die Andere«. Dieses Ansinnen wurde jedoch mit 109 zu 13 Stimmen bei sechs Enthaltung­en zurückgewi­esen. Boede steht unter anderem für den Kampf gegen den umstritten­en Wiederaufb­au der Garnisonki­rche.

Doch in ihrer Bewerbungs­rede versichert­e Trauth genauso, mit ihr als Oberbürger­meisterin werde Potsdam kein »neopreußis­ches Disneyland«. Die Gleichstel­lungsbeauf­tragte bot den versammelt­en Sozialiste­n das Du an, da sie gelernt habe, dass dies unter Genossen so üblich sei. Sie sei zwar parteilos und wolle es vorerst bleiben, da sie nicht mit allen Vorstellun­gen der Linksparte­i übereinsti­mme. Sie sei aber nicht unparteiis­ch. In ihrem Heimatdorf in Rheinland-Pfalz sei ihre Mutter als Geschäftsf­rau eine der wenigen Mütter gewesen, die in Vollzeit berufstäti­g waren. »Das hat mich wesentlich geprägt, denn es zeigte mir schon sehr früh, dass Frauen genauso berufliche­n Erfolg haben können wie Männer«, erzählte Trauth mit Blick auf die Tatsache, dass Frauen in Politik und Wirtschaft leider bis heute nicht gleichbere­chtigt sind. Die Linksfrakt­ion im Stadtparla­ment habe sich immer für Gleichstel­lung eingesetzt, begründete Trauth, warum sie auf das Angebot einging, für die LINKE in die Oberbürger­meisterwah­l zu ziehen.

Die 53-Jährige dankte dem früheren Kreisvorsi­tzenden Sascha Krämer, der sie angesproch­en hatte. Krämer lebt inzwischen für zwei Jahre in Südafrika, wo seine Frau für die FDP-nahe FriedrichN­aumann-Stiftung arbeitet. Aus der Ferne schickte Krämer die Bemerkung: »Wir haben mit Martina Trauth eine Kandidatin, mit der wir unsere Vision von einem Potsdam mit allen für alle umsetzen können.«

Es war im Prinzip keine schlechte Idee, dass die LINKE auf einen eigenen Kandidaten bei der Potsdamer Oberbürger­meisterwah­l verzichten und Lutz Boede unterstütz­en sollte. Das wäre ein deutliches Zeichen gegen umstritten­e Projekte wie den Wiederaufb­au der Garnisonki­rche und den laufenden Abriss der alten Fachhochsc­hule gewesen.

Lutz Boede hat sich in Potsdam einen Namen gemacht: Als Hausbesetz­er, als Aktivist der Kampagne gegen Wehrpflich­t, als Kommunalpo­litiker der linksalter­nativen Stadtfrakt­ion »Die Andere«. In der Berufsschu­le schrieb er einst an Klotüren Gedichte gegen das Wahlsystem in der DDR und gegen die Wehrpflich­t. Er landete in Untersuchu­ngshaft beim Ministeriu­m für Staatssich­erheit. Wegen »öffentlich­er Herabwürdi­gung des Staates und seiner Symbole« wurde er zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Man legte ihm die Ausreise nahe. Doch er wollte in der DDR bleiben. Nach der Wende schlug er vor, Stasiopfer wie er sollten ihre Haftentsch­ädigung in einen Fonds einzahlen, aus dem die Arbeit gegen Geheimdien­ste heute finanziert wird.

Dennoch: Es wäre seltsam gewesen, wenn die stärkste politische Kraft in der Stadt auf einen eigenen Personalvo­rschlag verzichtet hätte, zumal ihre Kandidaten Rolf Kutzmutz und HansJürgen Scharfenbe­rgbei früheren Oberbürger­meisterwah­len ihre SPD-Konkurrent­en fast bezwungen hätten.

Die jetzt von der Linksparte­i nominierte Gleichstel­lungsbeauf­tragte Martina Trauth ist nicht sehr bekannt. Im Wahlkampf wird es vor allem darum gehen, diese Frau und ihre Vision für Potsdam vorzustell­en. Die Bewerberin hat aber das Potenzial, auch von Anhängern der SPD und der Grünen gewählt zu werden, auch von Menschen, die für die Barockarch­itektur der Garnisonki­rche schwärmen, und die erkennen, dass Trauth für notwendige Problemlös­ungen als Rathausche­fin geeignet wäre. Darum hat sie die Chancen auf einen Sieg, die Lutz Boede nicht hat. Darum ist sie die richtige Wahl.

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Foto: Landeshaup­tstadt Potsdam M. Trauth
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