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Jeden Montag gegen S21

Die Gegner des Stuttgarte­r Tiefbahnho­fs versammeln sich zum 400. Mal

- Von Gesa von Leesen, Stuttgart

Trotz aller Proteste, Kostenstei­gerungen und Verzögerun­gen: Der Tiefbahnho­f in Baden-Württember­gs Hauptstadt Stuttgart wird gebaut. Doch die Gegner des Projektes geben nicht auf.

»Projekt entgleist – Umstieg jetzt« – so lautet das Motto dieser Montagsdem­o der Stuttgart-21-Gegner – sie treffen sich zum 400. Mal in der Stuttgarte­r Innenstadt. Am 26. Oktober 2009 hatte man sich zum ersten Mal am Montagaben­d versammelt. Seit mehr als acht Jahren also gehen die Kritiker dieses Bahnprojek­tes jede Woche auf die Straße.

Zum Jubiläum ist Prominenz eingeladen: Auf der Rednerlist­e stehen der Regisseur Volker Lösch, der Autor und Bahnkenner Winfried Wolf, die Kabarettis­tin Christine Prayon, der Wortkünstl­er Timo Brunke. Man hofft, zu dieser Demo ein paar Demonstran­ten mehr als zuletzt anzulocken.

Der harte Kern, der regelmäßig kommt, dürfte sich auf ein- bis zweihunder­t Menschen summieren. Wenn mal wieder etwas durch die Presse geht, was zeigt, wie schlecht das Milliarden­projekt geplant ist, erhöht sich die Demonstran­tenzahl stets etwas. Als die Bahn im Dezember 2017 einräumte, dass die Kosten um mehr als eine Milliarde auf knapp zehn Milliarden Euro steigen würden und der Bahnhof wohl doch ein Jahr später als zuletzt geplant, nämlich erst 2024 in Betrieb genommen werden könne, versammelt­en sich laut Organisato­ren 1000 Demonstran­ten am Montagaben­d. Die Polizei sprach von 400.

Auch jüngst geisterte Stuttgart 21 durch die regionale Presse. Denn die Deutsche Bahn AG hatte erklärt, dass keine ICE am neuen Flughafenb­ahnhof halten werden. Diese Anbindung des Flughafens ist Teil des Gesamtvorh­abens unterirdis­cher Bahnhof plus Neubaustre­cke nach Ulm. Der Flughafen zahlt deswegen sogar 359 Millionen Euro in das Projekt ein.

Nach der Verlautbar­ung der Bahn erhob sich ein großes Empörungsg­eschrei in den Medien. Die S21-Befürworte­r CDU, SPD und die Flughafeng­esellschaf­t zeigten sich entrüstet über die Bahnmittei­lung. »Skandal« nannte der SPD-Landtagsab­geordnete Martin Rivoir die Neuigkeit, »inakzeptab­el« hieß es aus der CDU-Landtagsfr­aktion, die Bahn müsse sich an Zusagen halten. Doch welche Zusagen? Der grüne Landtagsab­geordnete Matthias Gastel verwies darauf, dass die Deutsche Bahn nirgendwo versproche­n habe, »dass sie ICE-Züge am Flughafen halten lassen wird«. Und zwar aus gutem Grund: Denn einen ICE zweimal in Stuttgart – am Flughafen und am Hauptbahnh­of Stuttgart – halten zu lassen, mache für die meisten ICE-Reisenden wenig Sinn. Da falle »die S21-Truppe«, so Gastel, »auf ihre eigene Propaganda herein«.

Dieses vergleichs­weise kleine Scharmütze­l um das Bahnprojek­t ist typisch. Das von Anfang an höchst umstritten­e Milliarden­vorhaben wurde von dessen Befürworte­rn stets als das bestgeplan­te und bestfinanz­ierte Projekt der Bundesrepu­blik gepriesen. Doch seit der Bau 2009 begann, rückt die Bahn Jahr für Jahr mit neuen Hiobsbotsc­haften raus. Und stets tun die Verantwort­lichen so, als wäre das zu Baubeginn nicht absehbar gewesen. Dass die Gegner von S21 im- mer wieder in ihren Prognosen (wird teurer, dauert länger) bestätigt werden, mag diese mit Genugtuung erfüllen – helfen tut es wenig. Der – nach aktuellem Stand – zehn Milliarden teure Tiefbahnho­f wird gebaut. 30 Kilometer neue Bahntunnel durchziehe­n bereits den städtische­n Untergrund, neben dem alten Bahnhof klafft eine riesengroß­e Baugrube.

Für die erbitterte­n Gegner jedoch ist das kein Grund, den Bau nicht doch noch zu stoppen. Das Bündnis K21 (Kopfbahnho­f 21) verweist auf ein Gutachten des Verkehrsex­perten Martin Vieregg vom vergangene­n Dezember, wonach Lösungen für einen Umstieg vier bis fünf Milliarden Euro weniger als der Weiterbau des Projekts Stuttgart 21 kosten würden. Das motiviert, also streuen die Projektgeg­ner weiter Sand ins Getriebe und demonstrie­ren. Jeden Montag.

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow Unübersehb­ar: die Baugrube neben dem alten Stuttgarte­r Bahnhof

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