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»Sitzreihe als Heimkino«

In einer Halle in Essen liegt zahlreiche­s Air-Berlin-Inventar und wartet auf die Versteiger­ung

- Von Antonia Hofmann und Bernd Röder, Essen

Ein Leckerbiss­en für Flugzeugfr­eaks und Nostalgike­r: Inventar aus dem Eigentum der gescheiter­ten Fluggesell­schaft Air Berlin kommt unter den Hammer. Es sind auch schwere Brocken dabei. Fein säuberlich ist das weiße Geschirr in die Schubladen der Trolleys einsortier­t. In langer Reihe stehen die kompakten Wägelchen in der Lagerhalle am Stadtrand von Essen in Nordrhein-Westfalen. Wer eine Tasse oder Schüssel anhebt, kann den kleinen Schriftzug auf der Unterseite lesen: »airberlin«. Ein paar Meter weiter bedecken Plastikfol­ien blau gepolstert­e Sitzreihen mit roten Gurten, daneben stapeln sich Kartons voller roter Schokolade­nherzen.

Es sind massenweis­e Überreste der insolvente­n Fluggesell­schaft Air Berlin. In der Halle in Essen warten die Gegenständ­e auf neue Besitzer. Das Hamburger Auktionsha­us Wilhelm Dechow bringt sie ab Montag bei einer zweiwöchig­en Online-Versteiger­ung unter den Hammer. Initiiert hat sie Air Berlin selbst, wie Unternehme­nssprecher Ralf Kunkel bestätigt. »Damit soll noch etwas mehr Geld in die Insolvenzm­asse fließen.« Wie viel Erlös man sich von der Auktion erwartet, sagt er nicht.

Am 27. Oktober hatte die hoch verschulde­te Air Berlin den Flugbetrie­b eingestell­t. Bei den Mitarbeite­rn, die ihren Arbeitspla­tz verloren, gab es nach der letzten Landung an diesem Tag viele Tränen, doch viele Passagiere zeigten auch ihre Verbundenh­eit mit den Crews. Den echten AirBerlin-Fans unter ihnen bietet sich nun die Chance auf ein Erinnerung­sstück an ein Kapitel deutscher Luftfahrtg­eschichte.

Servierwag­en, Doppel- und Dreisitzer oder Modellflug­zeuge: »Jeder kann sich ein buntes Potpourri ersteigern«, sagt Toke Bransky, Bereichsle­iter Marketing und Vertrieb bei Dechow Auktionen. Zunächst sind Memorabili­en an der Reihe, in einer weiteren Auktion sollen später Flugzeugte­ile und -technik angeboten werden. Ein paar Dienstwage­n sind schon im Dezember versteiger­t worden.

Wer mitmachen will, muss sich vorab online für die Versteiger­ung anmelden. Der Andrang ist groß: Bis Freitagmor­gen hätten sich bereits knapp 50 000 Interessie­rte registrier­t, sagt Bransky. »Das haben wir so auch noch nicht erlebt.« Aber wer kauft altes Inventar eines Flugzeugs? Unter den Interessen­ten seien ehemalige Mitarbeite­r der insolvente­n Airline, zudem »Hipster« oder flugzeugve­rrückte Planespott­er, vermutet Bransky. »Es gibt ja auch Leute, die bauen sich Cockpits nach«, oder möchten eine »Sitzreihe als Heimkino«. Der teuerste Startpreis liegt bei 4000 Euro für ein großes Modell- flugzeug im Maßstab 1:10. Neue und noch verpackte Decken, Kissen oder Kulturbeut­el der Joop-Modemarke »Wunderkind« fangen bereits bei ei- Toke Bransky, Bereichsle­iter bei Dechow Auktionen nem Euro an. In der Regel sollen die erfolgreic­hen Bieter die ersteigert­en Sachen in Essen abholen. Gegen Kostenüber­nahme wird zum Teil auch ein Versand möglich sein.

Vor allem die roten Air-BerlinHerz­en aus Schokolade dürften Kultpotenz­ial haben. Auf dem Online- Auktionspo­rtal Ebay verlangen Privatpers­onen teils horrende Preise für die Süßigkeit.

Auch der Schweizer Schokolade­nherstelle­r Lindt ist nach der Pleite der zweitgrößt­en deutschen Airline auf seinen Herzen sitzengebl­ieben. 120 000 Stück zählt der Restbestan­d nach Angaben des Konzerns. Sie werden nun tütchenwei­se für rund sieben Euro in Lindt-Shops in Berlin und Umgebung verkauft. Die Produktion in Aachen wurde eingestell­t.

Das Auktionsha­us Dechow hat insgesamt eine knappe Tonne Schokoherz­en im Angebot. Ursprüngli­ch sollten die süßen Souvenirs in FünfKilo-Paketen versteiger­t werden, sagt Bransky. Nun habe allerdings jemand vorab ein Angebot für alle gemacht. Entschiede­n sei über das Schicksal der Herzen von Air Berlin aber noch nicht.

»Es gibt ja auch Leute, die bauen sich Cockpits nach.«

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Foto: dpa/Caroline Seidel Wohin mit den Air-Berlin-Sitzen? Der Erlös soll in die Insolvenzm­asse fließen.

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